Petri Salo, Mr. Fetish Finland 2018

Der qualifizierte Modedesigner Petri Salo gewann im Februar gegen vier Kandidaten in Helsinki, um sich den Titel Mr. Fetish Finland 2018 zu holen. Kaum in die Fetish-Community überhaupt eingetreten, wurde der jetzige Bauarbeiter dann zu ihrem nationalen Vertreter gewählt. Hier spricht er mit Tyrone Rontganger über Tom Of Finland, pornografische Darstellungen und Vaterschaft.

BOX: Hi Petri. Eine blöde Frage gleich am Anfang: Wie “Tom Of Finland” ist die Leather Community in Finnland wirklich?
PETRI: Tyrone, ich konnte echt stundenlang über Tom of Finland reden, mach dir bitte keine Sorgen! Der Künstler Touko Laaksonen, den wir alle als Tom Of Finland kennen, war in der Tat jahrelang ein aktives Mitglied im Lederverein MSC-Finland und sein Erbe spürt man noch bis heute bei uns im Verein. Er hat uns damals Kunstwerke geschenkt, die Grafik für unsere Vereinszeitschrift gemacht und sogar unser Vereinslogo entworfen. Ich bin seit meiner Kindheit ein Fan von Tom of Finland und ich glaube, er ist sogar auch für meine Neugier für Fetisch verantwortlich!

BOX: Aber ist es doch nicht lästig, als Finne immer wieder mit Tom of Finland angesprochen zu werden?
PETRI: Es macht mich jedes Mal sehr stolz und glücklich, wenn ich verreise und die Leute immer wieder mit mir über Tom of Finland reden wollen. Zwar passe ich körperlich nicht zu den perfekten Männern in seinen Illustrationen, aber trotzdem betrachte ich mich als „one of Tom’s men“. Kaum einer in unserer Community hier in Finnland kann seine männlichen Maße und Ideale überhaupt annähernd erfüllen, aber ich finde, seine Fantasien vom idealen Lederkerl geben uns hier Inspiration und auch Selbstbewusstsein. Wir Finnen sind in der Regel ziemlich schüchtern und Tom Of Finland gibt jedes Mal die Möglichkeit, mit Leuten in verschiedenen Ländern ins Gespräch zu kommen.

BOX: In dem du auch sehr kreativ bist, hast du eigentlich schon eine Gemeinsamkeit mit Tom Of Finland …
PETRI: Ich liebe es, mich selber mit geilen Fotos zum Ausdruck zu bringen. Ich glaube, es ist eine Art Ausgleich zu meinem dreckigen und harten Job, wo ich gar nicht nachdenken muss. Mein Partner ist Fotograph und wir haben mit der Kamera eine Menge Spaß. Ich habe mich vor der Kameralinse immer wohl gefühlt und ich zeige mich sehr gerne. Wir wohnen auf dem Lande und wenn wir Freizeit haben, genießen wir es, Ideen zu brainstormen, Aufnahmen zu machen und sie dann zu bearbeiten – ganz ehrlich, ich finde die Ergebnisse fast immer ganz toll! Meistens bin ich allein auf den Fotos und mein Partner macht die kunstvollen Bilder, aber jetzt, da wir Mitglieder in dem MSC Finland sind, haben sich neue Horizonte eröffnet. Wir haben mit den anderen Vereinsmitgliedern jetzt viel mehr Möglichkeiten für interessante Fotoshootings und jedes Shooting ist eine großartige Erfahrung. Ja, ich pose wirklich sehr gerne in einem geilen Outfit und habe auch nichts gegen Pornografisches, so lange wie eine kreative Idee dahintersteckt. Ich würde sogar sagen, dass der Exhibitionismus eine treibende Kraft hinter meinen Fetischen ist.


BOX: Machst du dir als Modedesigner deine eigenen Lederklamotten?
PETRI: Gleich nach meinem Studiumabschluss habe ich früher in Stockholm als Modedesigner gearbeitet. Dann überschlugen sich mehrere Dinge in meinem Leben: Eine langjährige Beziehung ging kaputt und zur selben Zeit fragte mich ein lesbisches Pärchen, ob ich mit ihnen ein Kind bekommen möchte. Ich liebte meine Arbeit dort, aber nach ein paar Jahren im Ausland hatte ich den Punkt erreicht, wo ich wusste, entweder bleibe ich dort für immer oder ich schmeiße dort eher alles weg, um zurück nach Hause zu ziehen und dort Vater zu werden. Ich fand in Finnland nicht weit von meinem Heimatsort ein schönes Haus auf dem Land und es fühlte sich gleich alles richtig an. Ich zog dahin und bekam einen Job in der Baufirma meines Vaters. Anfangs sollte es nur vorübergehend sein, aber ich merkte sehr schnell, wie gut mir die körperliche Arbeit in der frischen Luft tut. Natürlich ist es nicht nur schön – ich muss sehr früh aufstehen und draußen zu arbeiten in den Wintermonaten ist echt Scheiße – aber im Großen und Ganzen gefällt es mir und ich arbeite immer noch da. Alles viel schöner als nur an einem Schreibtisch zu sitzen! Weil mir damals als Student das Geld fehlte, habe ich mir anfangs Klamotten entworfen und aus Reststoffen selber genäht. Ich habe sogar früher ein eigenes Label gehabt, „Glorious Cockfighter“ und produzierte kleine Mengen geiler Sportklamotten. Heutzutage habe ich keine Zeit mehr dafür.


BOX: Wie bist du zum Lederfetischist geworden?
PETRI: Ich trage nicht nur gerne Leder, sondern auch Gummi und Lycra – besonders enge Einteiler! Die ersten schwul-erotischen Bilder, die ich je gesehen hatte, waren die Illustrationen vom Tom Of Finland, wo die jungen Bottoms sehnsüchtig auf die Leder-Tops heraufblickten. Diese Bilder machten mich schon in meinen jungen Jahren geil! Als ich dann einen eigenen Internetzugang hatte, suchte ich immer wieder nach ähnlichen Bildern und Pornoszenen. Bis ich dann echte Lederkerle kennenlernte, waren viele Jahre vergangen, aber da merkte ich sofort, dass ich die ganze Zeit genau danach fantasiert hatte. Für mich war Leder ein Machtsymbol und als junger Mann wollte ich dominante Partner haben, während ich nackt, verletzlich und hingebungsvoll vor ihnen stand. Mein erstes Lederoutfit war daher ein selbstgemachter, winziger Lederslip. Danach fing ich an, meine Sachen zu kaufen. Leder ist teuer und ich musste immer wieder für neue Sachen sparen, aber dadurch war ich immer megastolz, als ich sie mir dann kaufen konnte.


BOX: Wie ist es, als Fetischkerl mitten in der finnischen Landschaft zu leben?
PETRI: Hier sind wir weit und breit wahrscheinlich die einzigen Schwulen, aber bisher haben wir nur Positives erfahren. Wir haben hier viele sehr gute Freunde, die alles über uns wissen. Ich vermute, die Meisten hier haben wenig Ahnung von Fetisch, aber wenn ich im Dorf unterwegs bin, trage ich fast immer irgendwas Geiles! Das kann mein schmutziges Workgear sein, aber auch Vollleder, Army, oder auch knappe Schwimmhosen und bauchfreie T-Shirts. Ich glaube nicht, dass die Dorfbewohner das alles sexy finden, sondern mich eher etwas exzentrisch finden! *lacht* Die Menschen, die uns zu Hause besuchen, sehen dort alle meine Schärpe. Die hängt bei mir zu Hause mit ganzem Stolz im Flur.


BOX: Ich glaube, du bist der erste Titelträger mit dem ich bisher gesprochen habe, der Kinder hat. Bist du ein „Fetish Father“?
PETRI: Ich würde mich nicht als ein „Fetish Father“ bezeichnen. Ich bin Vater und auch Fetischist, aber diese beiden Sachen mischen sich nicht untereinander. Meine Kinder haben einmal im Kleiderschrank ein Latexoutfit von mir gesehen und natürlich gefragt, was es ist. Meine Antwort: Das ist ein Outfit, das ich für besondere Anlässe anziehe! Sie haben dazu weitere Fragen gestellt, und ich habe ihnen erklärt, dass ich mich darin gut fühle. Wir sind eine große, bunte und gemischte Regenbogenfamilie mit diversen sexuellen Neigungen und Geschlechteridentitäten – daher haben wir auch kaum Tabus unter uns. Für mich geht es aber daran, dass die Kinder genau die Antworten bekommen, die ihren Altern entsprechen. Wir wollen unsere Kinder so erziehen, dass sie eines Tages gesunde Erwachsene werden, die ihre eigenen Körper und Identitäten richtig respektieren. Da ich meine Kinder eigentlich nur am Wochenende sehe, kann ich trotzdem die verschiedenen internationalen Fetischevents besuchen. Und übrigens, ich kenne noch einen Fetischtitelträger, der Kinder hat.


BOX: Du hast mir vorhin gesagt, dass du das Ziel hast, mit anderen Fetischmännern in Kontakt zu kommen, die Angst davor haben, dabei erwischt oder erkannt zu werden. Wie stellst du dir das vor?
PETRI: Wir haben in Finnland und außerhalb Helsinkis mehrere kleine Pride-Events, die bisher von unserem Verein, dem MSC Finland, etwas ignoriert wurden. Mein Plan ist es, diese Events in Fetischkleidung und mit Schärpe zu besuchen. Hoffentlich werden viele Leute gucken und mich dann vielleicht in ein Gespräch ziehen. Ich bin ein sehr ansprechbarer Typ, auch wenn ich Fetisch trage, was mich auch etwas sichtbarer macht. Ich will Neugier und Interesse schaffen, währenddessen ich auch gleichzeitig unseren Verein promote. Ich möchte dabei das wahre Gesicht von der finnischen Fetischcommunity zeigen und Bilder stolz auf Facebook posten. Ich werde mit meinem Partner auch mehrere schöne, bunte Fotos machen, die das Fetischleben schön darstellen, statt als etwas Dunkles, Einschüchterndes und Maskiertes. Dieses Bild macht schon vielen Typen Angst!


BOX: Wie ist denn die Fetisch-Community in Finnland?
PETRI: Na, im Vergleich mit der Fetischcommunity in Berlin sind wir hier nur eine kleine Gruppe, aber dafür sehr divers. Wir haben nicht nur Leder- und Gummikerle, sondern auch Typen, die auf Arbeiterklamotten, Uniformen, Puppys und Sportswear stehen. Wir haben hier zurzeit leider keine permanente Fetischbar, aber dafür organisiert unser Verein regelmäßige und lebendige Clubnächte und andere Treffs. Als ein gemeinnütziger Verein haben wir kein Geld für große Werbung und Events, aber unsere Mitglieder sind alle sehr engagiert und passioniert, und sie rufen dadurch viel ins Leben. Zweimal im Jahr veranstalten wir ein größeres Event – Winterzation im Winter und Finlandization im Herbst – dieses Jahr findet Finlandization im August sogar zum 32. Mal und das Motto ist #playinbrotherhood, was sich auf unsere diverse Community bezieht. Wir haben schon für das Hauptevent einen geilen Veranstaltungsort gefunden und es wird bestimmt der Hammer sein! Daher benutze ich diese Gelegenheit und lade alle BOX-Leser hiermit ein: Kommt hierher, lernt unsere finnische Community kennen, tragt eure Fetische und unterstützt damit unseren gemeinnützigen Verein. Es findet alles in Helsinki statt, aber die Gäste kommen von überall in Finnland.


BOX: Warum hast du dich damals für die Wahl „Mr. Fetisch Finland“ gemeldet?
PETRI: Mir fiel die Entscheidung dazu sehr spontan ein! Ein Freund von mir, der schon Mitglied im MSC Finland war, hatte mich gefragt, ob ich vielleicht daran Interesse hatte. Das Komische war, dass ich eigentlich schon heimlich daran gedacht hatte. Ich war zu der Zeit gerade Vereinsmitglied geworden und daher wusste ich eigentlich kaum was über die Pflichten eines Titelträgers. Ich bin aber sowieso davon ausgegangen, dass ich als Vereinsneuankömmling keine Chance hatte. Erst im Laufe der Wahl ist es mir aufgefallen, dass ein Titel Verantwortung mit sich bringt. Wir sind ein kleiner Verein und was unser internationaler Vertreter, unser Mister, macht, kann große Auswirkungen auf den Verein haben. Mit meinen wenigen Erfahrungen von der finnischen Community überhaupt und der Tatsache, dass ich nicht in Helsinki lebe, wo die meisten Events stattfinden, habe ich wirklich große Herausforderungen für mich und mein Leben erwartet. Aber ich wollte trotzdem etwas zurückgeben. Ich weiß nicht, wie oder warum ich die anderen drei Kandidaten geschlagen habe. Ich bin auch ziemlich schüchtern und finde es immer noch schwierig, mich auf einer Bühne vor anderen Menschen darzustellen, aber auch da habe ich mir selber einen großen Tritt gegeben! Ich glaube, ich habe dem Publikum gezeigt, dass ich auch als Außenseiter ein echter Mensch bin und dass ich mich gut ausdrücken kann. Ich denke, man hat im Allgemeinen mehr Chancen, wenn man gutes Englisch spricht. Ich habe auch eine gesunde Portion Selbstironie, was mir auch hilft, schnell neue Leute kennenzulernen.


BOX: Seitdem du den Titel gewonnen hast, was hat sich in eurer Beziehung verändert?
PETRI: Da wir mitten auf dem Lande und wirklich weit weg von allem wohnen, haben wir beide eine sehr starke und intakte Beziehung. Natürlich haben die Titelträgerpflichten unsere normale Routine ein wenig verändert, weil ich abends beispielweise etwas mehr an meinen Projekten arbeiten will. Aber ich habe immer das Gefühl, dass wir alles zusammen machen, nicht nur ich für mich allein. Unser gemeinsames Ziel dieses Jahr ist viel Gutes für unsere Community zu machen, wovon wir auch beide selber profitieren werden. Die vielen Reisen und das öffentliche Interesse, die der Titel mit sich gebracht hat, können natürlich eine Beziehung strapazieren, aber ich finde, das managen wir beide sehr gut. Mein Partner gibt mir unheimlich viel Unterstützung.
BOX: Petri, vielen Dank für dieses Interview! Eine letzte Frage: Was möchtest du der deutschen Fetischcommunity sagen?
PETRI: Leider kenne ich mich mit der deutschen Fetischcommunity nicht besonders gut aus. Ich kenne nur Berlin, und ich finde die Szene dort einfach unglaublich! Da gibt es alles für jeden Geschmack und jeder Fetisch, und die Kerle dort sind meistens unheimlich sexy. Ich finde, die Deutschen gehen mit sich, ihrer Sexualität und Neigungen sehr offen um und viele andere Länder können sehr viel von euch lernen. Ich hoffe, es wird so bleiben und ich freue mich auf meinen nächsten Deutschlandbesuch, wo ich auch andere Regionen und Städte kennenlernen möchte. Danke!

Fact File

Name: Petri Salo
Alter:40
Sternzeichen: Zwilling
Hobbys: Fitnessstudio, Möbel bauen, in meiner Heimwerkstatt arbeiten
Beruf: Modedesigner / Bauarbeiter

Fotos: Mikko Karekivi