Box: Erzähle unseren Lesern doch zu Beginn etwas zu deiner Person: Wer bist du, wie alt bist du, wo lebst du, was machst du?
Dagny: Ich bin weiblich, 46 Jahre alt, habe ein Staatsexamen in Verwaltung und einen Meister in Landwirtschaft und bin ab nächsten Monat beim Zoll / Grenzkontrollstelle für Lebensmittel beschäftigt.
Ich bin Single, dies schon -leider- mein ganzes Leben lang; das habe ich mir nicht so gewünscht und auch nicht so vorgestellt, es ist aber als „ace“ extrem schwer, einen Partner zu finden. Dazu später mehr.
Derzeit wohne ich mit einer Frau zusammen, die bisexuell ist und sich inzwischen komplett für Frauen entschieden hat, nachdem sie mit Männern mehrfach auf die Nase gefallen ist. Wir haben ein großes Haus mit Garten, klischeegerecht einer Menge Katzen, einem Hund und einigen Pferden am Haus. Damit ist auch die Frage geklärt, was ich in meiner Freizeit mache – Hund, Garten, Pferde, Lesen; sonntags gucken wir Tatort mit Pizza.
Dagny: Wenn es früher um Homosexualität ging, gab es oft die Frage: „Wann hast du das erste Mal gespürt, dass du so bist.“. Viele werden sich in diesem Zusammenhang sicher fragen, wann hast du empfunden, asexuell zu sein? War dir dies schon sehr früh bewusst oder war es ein Prozess?
Als Teenager und auch später war es mir nicht bewusst. Ich habe für Jungs geschwärmt (ich bin hetero), hatte aber nie einen Freund, so wie andere in meinem Alter.
Als ich 25 war, habe ich gedacht, es wäre Zeit, das mit dem Sex mal auszuprobieren und da ich damals mit einer Clique aus ausschließlich Männern herumhing, habe ich einen davon ausgewählt …. im Nachhinein nicht so klug, da, auch wenn das arrogant klingt, die eigentlich alle mit mir ins Bett wollten, was ich absolut nicht gecheckt habe; für mich waren das Kumpels und ich war einer von ihnen. Niemals habe ich es so gesehen, dass ich eine Frau bin und damit in irgendeiner Weise für sie attraktiv.
Der Versuch ist jedenfalls gescheitert; obwohl „er“ damit angab, wie viele Ladies er schon beglückt hatte, habe ich absolut nichts gefühlt, wollte es so schnell wie möglich beendet haben und weh tat es auch.
Als er auf mir herummachte und mir dabei sagte, er habe schon 60-70 Frauen gehabt, dachte ich nur „iiiih. Runter von mir!“.
Ich habe ihn dann manuell / oral befriedigt, damit ich meine Ruhe hatte, Wiederholung ausgeschlossen.
Ca. 5 Jahre später hatte ich einen extrem hübschen Praktikanten, sehr durchtrainiert und … ich dachte, so was krieg ich nie wieder in die Finger, ich probiere es nochmal. Das Ergebnis war dasselbe. Er ist jedenfalls auf seine Kosten gekommen, ich nicht, und ich musste mir schon einen antrinken, um überhaupt entspannt genug zu sein.
Für mich war das Thema damit erledigt. If this is how babies are made, I wonder why the world is still populated.
Wieder einige Jahre später las ich zum ersten Mal einen Artikel über Asexualität und ich dachte: das ist es also. Mir ist so ein Stein vom Herzen gefallen, es gibt mehr Menschen wie mich. Ich bin nicht kaputt, gestört, krank. Es war so eine Erleichterung!
Da war ich ca. 38.
Box: Was heißt es für dich Asexuell zu sein, und wie lebst du das? Wie hat sich das für dich entwickelt?
Dagny: Ich bin nicht glücklich damit. Ich möchte sein wie andere. Offenbar ist es ja sehr viel leichter, eine Beziehung zu haben, wenn man Sex haben will, es gehört anscheinend zum Datingverhalten dazu.
Wie lebe ich das?
Ich gehe zum Beispiel nicht aus. Nicht tanzen oder dergleichen. Ich habe keine Lust, angebaggert zu werden. Obwohl ich wirklich gerne einen Partner hätte, scheitert es an dem Punkt „ich möchte keinen Sex“, auf allen Datingportalen der Killer. Ich bekomme so tolle Tipps wie „so tun als ob und dann verweigern“ oder „sich jemanden suchen, der so alt ist, dass Sex für ihn keine Rolle mehr spielt“ – danke, wenn ich Windeln wechseln wollte, hätte ich Kinder.
Mit den Jahren ist es für mich immer schwieriger geworden und inzwischen kann ich mir nicht mehr vorstellen, jemanden zu finden. Kurzfristig habe ich auf dem AVEN -Forum einen asexuellen biromantischen Mann gefunden, mit dem ich mir geschrieben habe, es klang toll und ich hätte ihn gerne kennengelernt, aber es ist dann im Sande verlaufen.
Box: Empfindest du dich als „verschieden“ von anderen, sexuellen Menschen?
Dagny: Ja, absolut. Es fängt schon damit an, dass man große Schwierigkeiten damit hat, es jemandem zu erklären.
Box: Ist Asexualtität ein Leben ganz ohne Lust? Ohne Selbstbefriedigung? Wie stehen Autosexualität und Asexualtität für dich zueinander?
Dagny: Nein, jedenfalls für mich nicht und soweit ich weiß, gibt es auch andere, die sich selbst befriedigen, wieder andere empfinden Ekel und lehnen auch Masturbation ab. Mein bester Freund ist ein Pinguin 😉 der aber durchaus mal mehrere Monate Winterschlaf halten kann, dann aber, vor allem wenn ich Stress habe oder wenn ich meine Periode bekomme – also die Hormone Stress machen – auch phasenweise täglich zum Einsatz kommt. Meine Lieblingsfantasie sind übrigens zwei Männer … also schwuler Sex, allerdings ohne Details. Im Großen und Ganzen haben Menschen für mich quasi ein Loch von der Brust bis zu den Knien und ich bin an näherer Betrachtung nicht interessiert, weswegen mein „Kopfkino“ eher Comiczeichnungqualitäten hat. Nichts Genaues weiß man nicht, und das soll auch bitte so bleiben.
Box: Wie passen sexuelle Orientierungen und Identitäten zur Asexualtität? Nimmt man sich, wenn man sich als Asexuell empfindet, weiterhin dezidiert als Hetero(a)sexuell, Homo(a)sexuell oder Queer usw. wahr?
Dagny: Eine gute Frage. Ich bin definitiv heteroromantisch, das „sexuell“ kann man da weglassen, glaube ich. Es gibt innerhalb der „Community“ eine ganze Bandbreite, Lesben, Schwule – die es meiner Meinung nach noch schwerer haben, da (das mag ein Vorurteil von mir sein, bitte hier um Verzeihung) die schwule Kultur doch insgesamt ziemlich sexorientiert zu sein scheint… meine trans*Freundin ist auch eher asexuell, dabei lesbisch; es gibt queere, trans, pan – Menschen, die alle kein Interesse am Sex haben, was da jeweils vorherrscht, kann ich nicht sagen.
Was mir allerdings auffällt und was mich sehr belastet: So lange ich denken kann, habe ich mich für Schwule und Lesben und ihre Rechte eingesetzt.
Nun scheitere ich an den Gatekeepern, die mir sagen: Du bist bloß heteronormativ mit Erregungsstörung und willst was Besonderes sein.
Das stellen ich und andere immer wieder fest. Ich hatte eine heftige Diskussion mit einer jungen Lesbe, die mir mitteilte, dass die Sprüche, die ich zu hören bekomme, und die absolut identisch sind mit denen, die sie hört („du bist krank/gestört/muss nur mal ordentlich gefickt werden/hast noch nicht den richtigen gefunden/ich kann dich heilen“; eine Asexuelle berichtete, dass man ihr gesagt habe, Aces müsse man töten, da sie Verschwendung seien) irgendwie nicht so schlimm sind, wenn ich oder wir sie gesagt bekommen, aber für eine Lesbe wäre das eine Bedrohung und total furchtbar.
Für uns etwa nicht?
Box: Lebst du in einer Beziehung oder strebst du eine Beziehung an? Und was wären die Voraussetzungen für eine Beziehung? Sind/Müssten die Partner ebenfalls asexuell sein?
Dagny: Ein Partner müsste für mich in jedem Fall asexuell oder in der Abstufung demi/grey sein. Ich kann schlecht teilen… und möchte nicht, dass „er“ sich den benötigten Sex anderswo holt – wobei es durchaus Beziehungen gibt, die so aufgebaut sind, siehe meine sehr sexuell aktive Schwester und ihr asexueller Freund.
Was ich in fast allen Diskussionen in Foren gelesen habe, sagt, dass eine Beziehung mit einem allosexuellen Menschen in 90% der Fälle zum Scheitern verurteilt ist. Viele Partner beziehen es auf sich, sind gekränkt, können damit nicht umgehen und natürlich bleibt die Lust.
Es gibt Aces, die sich ihrem Partner zuliebe überwinden und den Sex durchstehen, und ich finde diese Vorstellung furchtbar. Als würde man eine Toilette benutzen, um es mal mit Alice Walker zu sagen.
Tatsächlich scheint es so, dass Asexuell „unsichtbar“ ist. Wie ist das in deinem Umfeld von Familie und Freunden? Wie offen kannst du damit umgehen und wie war die Reaktion, wenn du darüber gesprochen hast?
Ich habe dann versucht, es Freunden und meiner Familie zu sagen. Lediglich meine Schwester, die sexuell sehr aktiv ist und auch durchaus bisexuell (und unfairerweise einen asexuellen Freund hat; sie sucht sich ihr Abenteuer eben anderswo) hatte Verständnis.
Meine Freundinnen wollten entweder nicht darüber reden, haben mir gesagt, ich sei psychisch krank (was dann eben Freundschaften beendet hat), haben mir gesagt, das sei doch normal, jeder wolle eine tiefe Beziehung haben, bevor er/sie Sex wolle – um sich im nächsten Atemzug darüber zu beklagen, wie gerne sie doch mal wieder Sex mit jemand anderem hätte, aber ihr Mann hat was dagegen! Und überhaupt, Sex wäre doch so schön und gehört dazu!
Meine Familie war noch schlimmer. Meinem Vater zufolge gibt es das nicht und ich bin ja auch keine Pflanze. Meine Tante ordnet es als „Phase“ ein, die ich mir bei jemandem -namentlich einer trans*Freundin- abgeguckt habe. Auch, dass ich ein Problem mit meiner Geschlechtsidentität habe, mich nicht als Frau fühle, auch kein Mann sein möchte, obwohl ich auch das manchmal habe – eine Phase. Abgeguckt. Nicht real. Meine Mutter ist nicht näher drauf eingegangen.
Gleichzeitig hat nie jemand gefragt, warum ich eigentlich immer Single bin. Ich bin halt „spröde, wählerisch, schwierig, gestört“.
Box: Allgemein, wie empfindest du die Wahrnehmung/Reaktion der Umwelt auf Asexualtität und Asexuelle?
Dagny: Siehe oben. Meist wird nicht drüber gesprochen. Ich kenne einige Frauen, die so asexuell sind, dass sie nicht mal daran interessiert sind, zu wissen, dass es das überhaupt gibt, die aber nicht als solche wahrgenommen werden. Für sie ist das einfach kein Thema und ihr Umfeld interessiert es auch nicht.
Ich „oute“ mich eher selten; gestern habe ich einem lesbischen Paar, das neu in unseren Ort gezogen ist, gesagt, dass ich mich weder für Jungs noch für Mädchen interessiere, und sie haben „aha“ gesagt. War anscheinend nicht ganz unbekannt.
Meist reagiert das Umfeld mit Unverständnis. Keine Ahnung, ich arbeite im Moment -noch- über eine Zeitarbeitsfirma im Einzelhandel mit lauter schwulen Jungs, wie die reagieren würden? Ich hatte mein T-Shirt an, das ich mir anlässlich des letzten CSD in Hamburg gemacht habe, das mit dem Herz in Ace-Farben und dem freehugsforpeoplerejectedbytheirfamilies in Regenbogenschrift, gesagt hat keiner was.
Box: Betrachten wir allein schon die Werbung, leben wir offensichtlich in einer stark sexualisierten Gesellschaft. Wie empfindest du das?
Störend bis verstörend, wobei es mich grundsätzlich stört, dass Frauen als Objekte dargestellt werden. Wenn ich Herrendüfte ins Regal räume und die Namen schon Programm sind – da geht es ums Flachlegen. Pflegeprodukte- flachlegen. Frauen und Männer sollen attraktiv sein, damit es zu Sex kommt. Reagiere ich über? Ich weiß nicht. Sex im Film – muss das sein? Wenn ich einen Porno will gibt es entsprechende Kanäle (ausprobiert, finde es langweilig).
Da ich aber auch selber Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht habe – von der Hand in meinem Slip bis zum Gärtner eines Vermieters, der mir beinahe täglich sagte, wie geil das sein müsse, mich von hinten zu knallen und dabei meinen Hintern vor sich zu haben bzw. wie gerne er mal an meine Brüste wolle und den Standardbetatschungen in der Bahn – habe ich sowieso ein Problem damit.
Box: Für andere sexuelle Orientierungen oder Identitäten ergibt sich oft ein Leidensdruck aus ihrer Situation heraus, empfindest du selbst oder allgemein in Bezug zur Asexualtität solches auch?
Dagny: Ja, siehe oben. Ich hätte es gerne anders.
Box: Wie sehr spielen aus deiner Sicht die auch heute noch dominierenden Rollenzuschreibungen Mann/Frau eine Rolle im Ausleben von Sexualität, (romantischen) Beziehungen und natürlich in Bezug zu Asexualtität?
Über diese Frage habe ich in den letzten Tagen sehr intensiv nachgedacht. Dazu muss ich, glaube ich, erstmal sagen, dass ich selbst überhaupt keine Ahnung habe, wie es sich anfühlt, eine Frau zu sein, ob es da ein spezielles Bewusstsein oder Gefühl hat. Wie geht „weiblich“? Sind sich andere Frauen bewusst, dass sie Frauen sind, auf jeder Ebene?
Als Kind war ich sehr stolz darauf, dass ich „wild wie ein richtiger Junge“ war, das hat sich später gelegt und wie ja bereits geschildert, habe ich mich in meiner Clique nie als das „weibliche Wesen“ begriffen, eher wie George von den Fünf Freunden.
Was ich glaube: Wenn man sich Foren ansieht, stellt man leicht fest, dass etwa 90% Frauen oder andere Identitäten sind, meist non-binär / gender-queer.
Mir hat sich da schon die Frage gestellt, ob es überwiegend Frauen „betrifft“ – oder ob Frauen eher die sind, die zugeben, dass sie kein sexuelles Verlangen haben. Auf Männern lastet da eine andere Erwartungshaltung.
Ist es anerzogen, resultiert also daraus, dass man als Frau immer gehalten ist, sich sexuell zurückzuhalten? Schwierig – als Frau ist man stets in der Zwickmühle. Einerseits lastet da immer noch die überlieferte Erziehung, dass man quasi keusch zu sein hat, dann ist man aber auch direkt zickig, prüde oder noch schlimmer frigide – oder man ist eben eine promiske Schlampe à la Dorfmatratze.
Ich hatte immer den Eindruck, dass meine Freundinnen überwiegend selbstbestimmt ihre Sexualität ausgelebt haben, ohne sich von gesellschaftlichen Vorstellungen beeinflussen zu lassen, habe aber auch Freundinnen, die sich mehr „konform“ verhalten haben, wobei für mich schlecht zu beurteilen ist, ob das aus ihrer Erziehung resultiert oder ob sie vielleicht das sind, was man unter demisexuell zusammenfasst – schon sexuell, aber eben erst im Zuge einer tiefergehenden Beziehung.
Aus irgendwelchen Gründen bekommt mein Facebookprofil ständig Werbung für … ähem… nennen wir es mal „Literatur“… für ein eindeutig weibliches Publikum, die absolut und explizit sexuell ist. Ob es da um attraktive aktive Werwölfe geht oder um Zwillinge oder Drillinge, die sich eine Frau teilen, oder die kleine dicke Pummelente, die den durchtrainierten Geschäftsführer vernascht – zumindest in der letzten Zeit ist weibliche Sexualität deutlich sichtbarer geworden. Es ist aber für mich wirklich schlecht zu beurteilen, ob das allgemein gilt. Ich lese zwar relativ viel darüber, weil ich es faszinierend finde und irgendwie zu verstehen versuche, aber trotzdem außen vor bin.
Romantik? Na ja. Sagen wir mal so: Nach meinen Erfahrungen auf Partnerbörsen kann man ohne Sex die Romantik auch gleich vergessen. Nichts zu machen.
Box: Haben dir in dem Prozess, dir selbst bewusst zu werden, asexuellen Gruppen oder Webseiten helfen können?
Jaein. Mein erster Kontakt war ein Zeitungsartikel ausgerechnet in der Rheinischen Post, in dem aber auch direkt von AVEN als einem Forum für „Betroffene“ die Rede war. Das AVEN-Forum ist leider voller „Karteileichen“, die irgendwann mal einen Account angelegt haben und sich dann nicht mehr rühren.
Aber es gab dort zumindest Informationen, und es gab so etwas wie einen Stammtisch in meiner Nähe, und wir haben es auch tatsächlich geschafft, uns mal zu treffen, was auf jeden Fall eine Hilfe und auch eine Erleichterung war. Auf Facebook gibt es einige Gruppen; einige Zeit war ich in einem internationalen Forum aktiv, dort hat es mich allerdings gestört, dass gegen sexuell aktive Menschen gehetzt wurde und sie mit Verachtung betrachtet wurden. Man kann nicht für sich selbst Akzeptanz und Toleranz einfordern und sie anderen verwehren, außerdem kann niemand etwas für seine sexuelle Orientierung, sucht man sich schließlich nicht aus. Es steht also niemandem zu, darüber zu urteilen, was ein Anderer mag oder nicht mag oder was er im Bett macht oder nicht. Manche mögen Lakritz, andere nicht.
Zumindest hatte es aber Vorteile: Es gibt Informationen – je nach Seite auch recht viel – und man stellt fest, dass man nicht allein ist, und das ist extrem hilfreich. Hurra, man ist ja doch normal. Zumindest irgendwie…
Box: Was würdest du jemanden raten, der gerade für sich entdeckt, dass er „asexuell“ ist oder sich darüber klar werden möchte? Wo findet er am ehesten Unterstützung? Und gibt es etwas, was man auf alle Fälle vermeiden sollte?
Dagny: Eine schwierige Sache, kommt auf die Situation an. Zunächst einmal lesen, und zwar in den „einschlägigen Foren“, oder vielleicht auch auf YouTube, da gibt es inzwischen einige gute Info-Videos. Man sollte sich auf keinen Fall mit Asexuellen vergleichen, die in Filmen vorkommen, da scheint es mir so zu sein, wie Homosexuelle früher dargestellt wurden – die schrillen, seltsamen Typen, die bestenfalls für Lacher gut waren. Ich gucke eigentlich nicht fern, glaube aber, dass Sheldon in Big Bang Theorie als ace dargestellt wird, und der ist sicherlich kein gutes Beispiel (auch wenn er privat ja, Zitat „ebenfalls einen männlichen Zimmergenossen hat, und DAS ist ein ganz anderes Verhältnis“ – so ähnlich habe ich es gelesen)(schön für ihn, in jedem Fall).
Mit Freunden und Familie ist es wie bei jedem Coming-out; ich habe ja schon geschrieben, wie es bei mir war, wobei ich mich schon manchmal frage, wie es gewesen wäre, wäre ich lesbisch. Hauptsache irgendwas.
Man muss auf jeden Fall gewappnet sein und damit rechnen, dass man nicht ernst genommen oder für krank erklärt wird. Und dass die Reaktionen da auch durchaus „deftig“ ausfallen können, das habe ich schon oft in den Foren gelesen.
Box: Viele Menschen, die noch in traditionellen Rollen oder sexuellen Identitäten verhaftet sind, fühlen sich durch die Vielfalt an sexuellen Orientierungen und Identitäten oft bedroht (und hier meine ich nicht die politischen Gegner von Vielfalt). Was würdest du ihnen antworten? Was würdest du dir von ihnen wünschen?
Dagny: Ich würde mir wünschen, dass die Menschen es schaffen würden, ihr Herz zu öffnen … oh, das klingt so nett und abgedroschen. Gar nicht mein Stil.
Neuer Ansatz:
Ich würde mir verdammt nochmal wünschen, dass die Menschen endlich kapieren würden, wie viel Schaden sie durch ihre Intoleranz und oft auch gewollte Ignoranz anrichten. Dass sie kapieren würden, dass es Dinge gibt, die man sich nicht aussucht und die man auch nicht ändern kann – Hautfarbe, Behinderung, Körpergröße, sexuelle Orientierung. Innen sind alle rosa. Um den Bären zu zitieren: They all taste like chicken.
Aber Arschloch sein, das sucht man sich aus. Das entscheidet man selber. Jeder hat ein Hirn und auch ein Herz mitbekommen, und man darf beides benutzen, und es gibt auch keine Ausreden oder Gründe, jemandem das zu verweigern, was man selbst für sich in Anspruch nehmen will. Wenn man schon keine Akzeptanz schafft, dann zumindest Toleranz. Niemand verliert irgendwas, wenn Homosexuelle heiraten dürfen, im Gegenteil, wenn sie Kinder adoptieren dürfen, gibt es noch zusätzlich Gewinner. Es verliert auch niemand irgendwas, wenn jemand anders seinen Körper seinem Geschlecht anpasst. Wo doch ohnehin ständig Selbstoptimierung gepredigt wird, warum nicht auch da?
Und wenn man das alles nicht schafft, dann wäre „Ignoranz“ zumindest eine Lösung – keine Meinung zu haben und dann auch wenigstens den Mund zu halten und nicht zu urteilen, es geht einen schließlich nichts an, was jemand anders macht.
Für mich selbst wünsche ich mir weniger Zynismus, aber ohne geht‘s ja nicht.