Vorgestellt: Estelle

Estelle
Estelle

Als „ne echte Berliner Göre“ ist Estelle van de Rhone ein Multitalent über ihre Travestie-Kunst hinaus. Anlässlich ihres neuen Programms sprach BOX mit ihr.

BOX : Hallo Estelle, schön dich zu treffen. Du bis ja „ne echte Berliner Göre“, aber wo in Berlin bist du denn aufgewachsen? Berlin ist ja groß. Und darf man auch nach deinem Alter fragen?

Estelle: Ich wurde in Berlin-Neukölln geboren und feiere im nächsten Jahr meinen 40. Geburtstag.

BOX : Du sagst, dass dich das Nachleben der Stadt schon immer begeistert hat. Ist die Figur Vintage-Weib“ erst entstanden, als du durch die Nacht geschwärmt bist, oder war da schon vorher eine Leidenschaft vorhanden?

Estelle: Neben meinem 40. Geburtstag feiere ich nächstes Jahr auch mein 25. Bühnenjubiläum – somit lagen meine Anfänge nicht im Berliner Nachtleben. Mit 15 Jahren war es mir gesetzlich noch nicht gestattet, durch das schillernde Nachtleben Berlins zu ziehen.
Allerdings prägt es sehr, wenn man in einer bunten Stadt wie Berlin groß wird.

BOX: Wenn ich das richtig gelesen haben, dann verkörperst du mit deiner Kunstfigur die Travestie der 50er Jahre? Was fasziniert dich daran und warum gerade diese „Rückwärtsgewandheit“?

Estelle: Das kann man so nicht sagen bzw. wirfst du da etwas durcheinander 😉
Ich verkörpere nicht die Travestie der 50er Jahre, sondern den Modestil.
Ich liebe die großen Petticoatkleider und das Modebewusstsein und den Stil dieser Zeit.
Dazu kommt, dass ich seit frühester Kindheit die Musik der 50er und 60er Jahre sehr schätze und somit auch, in dieser, meine Idole gefunden habe.
Eine große Inspiration für mich ist zum Beispiel Connie Francis – vielen bekannt mit ihrem Hit „schöner fremder Mann“

BOX: Travestie kommt heute ja oft als Drag daher, eine Kunstform aus dem angelsächsischen Bereich? Kam man beide Formen eigentlich vergleichen, was sind für dich Ähnlichkeiten und was die Unterschiede?

Estelle: Ru Paul hat dazu eines der schönsten Zitate gesagt: „we are all born naked – the rest is drag“
Ich denke, dass es keine allgemeine Definition von Drag geben sollte – es ist doch immer Auslegungssache, als was man sich identifiziert oder die Kunst definiert. Grad in einer so bunten Welt wie die des Showbusiness.
Es gibt tausende Variationen von Drag und jede kann einzigartig sein.
Wenn ich von jüngeren Drags gefragt werde, was das Wichtigste im Drag-Dasein ist, dann antworte ich immer: Sei deine eigene Version, fühl dich wohl und sei stolz auf das, was du tust.

BOX: Travestie in Deutschland war ja lange eher Familienunterhaltung (man denke an Mary und Gordy zu bester Sendezeit).
Mit dem Drag kamen auch die politischen Anfeindungen, ja sogar der Vorwurf, es wäre Teil des „Gender-Wahns“, einer Ideologie, die auf Kinder ziele. Was denkst du darüber?

Estelle: Schaut man sich die Aufnahmen von Mary&Gordy an, wird man feststellen, dass die beiden in jeder ihrer Shows gesellschaftskritisch und politisch waren – allerdings auf eine grandios humoristische Art und Weise. Sie haben ihre Bühne genutzt um, neben Jux und Tollerei, den Menschen zum Nachdenken zu bringen. Unsere Welt entwickelt sich stetig weiter – was sie auch muss, denn Stillstand führt zum Rückfall.
Kindern ein tolerantes und weltoffenes Bild zu vermitteln sollte, meiner Meinung nach, im Fokus der Erziehung stehen. Die Zeiten von Ausgrenzung und Intoleranz sollten vorbei sein.
Ob Paradiesvogel oder Butterblume – alle haben ein Recht auf Existenz und niemand hat das Recht, das Leben eines anderen zu verurteilen oder in Frage zu stellen.

BOX: In welchen Clubs, bei welchen Gelegenheiten bist du in Berlin zu sehen?

Estelle: Ich mache relativ viel und bin oft unterwegs in der Stadt – monatlich bin ich in der Großen Freiheit 114 mit meinem Kneipenquiz und meiner Partyreihe „queerbeats“ – man findet mich aber auch in der kultigen Bar Marienhof im Prenzlauer Berg.
Ansonsten bin ich überall, wo ich gebucht werde, ob als DJ, Moderatorin oder Sängerin.

BOX : Neben deinen Travestie-Auftritten und Shows machst du auch Moderation, Music/DJ und bietest Workshops an. Erzähl uns doch ein wenig davon, was deine Zuhörer und Besucher dort erwarten dürfen?

Estelle: Ich bin sehr vielfältig und liebe die Abwechslung. Beim Auflegen kann man sagen, dass ich am liebsten „all time favorites“ von den 70ern bis heute spiele. Auf der Bühne überzeuge ich gern mit viel Humor – ich denke, nichts ist schöner als gemeinsam zu lachen und eine tolle Zeit miteinander zu verbringen.
Die Workshops mache ich zurzeit seltener – ich bin gelernte Friseurmeisterin und Make up Artist und habe lange Zeit mein Wissen an Menschen weitergegeben. Vielleicht sollte ich es mal wieder aufleben lassen.

BOX: Wo können wir dich als nächstes in Real erleben?

Estelle: Am 3.10.24 kommt meine neue Show auf die Bühne: „Berliner Göre mit Schuss“ in der Wabe Berlin.
Ansonsten trefft ihr mich bestimmt in der Großen Freiheit 114 oder im Marienhof bzw. dort wo gern gelebt, geliebt und gefeiert wird.

Infos unter
www.vintage-weib.de