Willi de Vries ist seit 2020 als freischaffender Künstler in Köln tätig. Sein Atelier und Studio befindet sich in einer schönen Lage in der Kölner Südstadt, auf der Severinstraße. Wir treffen uns an einem Vormittag ihm, um über seine künstlerischen Arbeiten und sein Engagement in der Community zu sprechen.
BOX: Wie würdest du deinen Malstil beschreiben und welche Einflüsse, Künstler oder Epochen prägen dein Werk?
Willi de Vries: Ich würde meinen Stil einem „Neuen Realismus“ zuordnen. Bei meiner Malerei geht es mir darum, die Wirklichkeit durch eine moderne Linse zu betrachten. Der Betrachter soll einen eigenen Blickwinkel auf das Gemälde entwickeln und vor allem den Augenblick des Betrachtens genießen. Meine altmeisterliche Technik basiert als Grundlage auf einer Eitempera, ein Gemisch aus Wasser mit Ei und Ölfirnis. Darüber male ich in vielen Schichten mit angerührter Ölfarbe. Obwohl dieser komplexe Technikmix zwar altbacken wirkt, bietet dieser mir so viele Möglichkeiten.
BOX: Deine Arbeiten sind oft in der Portraitmalerei angesiedelt. Inwieweit sind deine Bilder politisch oder gesellschaftskritisch?
Willi de Vries: Über die Jahre habe ich häufig Donald Trump porträtiert, weil er polarisiert und weltweit Schlagzeilen macht. Es geht mir dabei um die unbewusste Provokation durch das Motiv. Ich möchte Emotionen beim Betrachter auslösen, Ironie sichtbar machen und zum Nachdenken anregen. Meine Werke sollen immer auch ein Spiegel unserer gegenwärtigen Gesellschaft sein.
BOX: Wie wählst du die Quellen für deine Werke aus und welche Schritte durchläufst du, bevor ein neues Bild entsteht?
Willi de Vries: Ich verfüge über einen großen Bildfundus in verschiedenen Formaten, darunter Postkarten und digitale Bilder von Bildagenturen. Soziale Medien wie Instagram und Apps wie Gayromeo dienen mir ebenfalls als Inspirationsquelle. Bevor ich mit dem Hauptbild beginne, recherchiere ich und will bei der Komposition nichts dem Zufall überlassen: Codes der Kleidung, die Körperhaltung, Lichtführung, Gestus und noch vieles mehr. Dann erstelle ich Vorskizzen mit Kohle und arbeite die Szenerie in Öl aus, um alle Aspekte des Bildes im Vorfeld zu entwickeln. Dieser Prozess nimmt viel Zeit in Anspruch und bleibt für den Betrachter meist unsichtbar.
BOX: Was fasziniert dich an der Thematik Leder und Fetisch, und wie kamst du dazu?
Willi de Vries: Ich kam über die Portraitmalerei dazu. Mich interessieren die Stofflichkeit und die Kleidung meiner Modelle. Zunächst habe ich mich mit altmeisterlichen Motiven auseinandergesetzt, bevor ich begann, das Material Leder intensiver zu studieren. Dabei geht es nicht nur um die naturgetreue Wiedergabe, sondern auch um die versteckten Codes, die das Tragen von Leder oder Fetischkleidung beinhaltet. Es spielt sicherlich eine Rolle, ob der Betrachter die Szene kennt und die Botschaften in den Sujets „lesen“ kann.
BOX: Wie war die Resonanz auf deine letzten Ausstellungen, die sich mit der Leder- und Fetischszene beschäftigten?
Willi de Vries: Ich hatte eine Werkschau zur Cologne Fetish Pride in meinem Atelier und zum CSD wurden im Rahmen eines Kunstfestivals meine Werke losgelöst an vielen Orten in der Stadt ausgestellt. Die Resonanz war überwiegend positiv und ich habe fast alle Bilder verkauft – darunter auch Werke, die sich nicht in dieses Genre einordnen lassen. Am schönsten fand ich die Reaktionen von Personen, die sich für den gezeigten Fetisch begeistern. Das Bild dient dann als Ausgangspunkt für Emotionen, Begehrlichkeiten und tiefgreifende Gespräche über den Fetisch.
BOX: Wie wichtig ist heute die Präsenz in den sozialen Medien für einen Künstler, und welche Kanäle nutzt du, um deine Arbeiten zu präsentieren?
Willi de Vries: Meine Kunst lebt in der Realität und entfaltet sich vor allem durch das Format, das ich für meine Motive wähle. Soziale Medien können dieses Erlebnis nicht vollständig bieten, aber ich nutze sie, um auf meiner Homepage und auf Instagram die Entstehung neuer Arbeiten zu dokumentieren und eine Auswahl meiner Werke zu zeigen.
BOX: Was sind deine nächsten Projekte und Ziele für die nahe Zukunft?
Willi de Vries: Ich würde gerne irgendwann – wenn ich mich sicher genug fühle – einen großen Werkzyklus zu Dantes Inferno aus der Göttlichen Komödie à la Gustave Doré malen. Schwule körperliche Gelüste in eine streng akademische Arbeit einfließen lassen. Außerdem möchte ich regelmäßige Werkausstellungen mit anderen Künstlern aus dem Kölner Raum organisieren, einen freien, queeren Kunstsalon veranstalten. Dies konnte ich bereits zum CSD in meinem Atelier testen und hat viel Spaß gemacht.
BOX: Eine letzte Frage: Wie siehst du die Rolle der KI in der Kunst, und welchen Einfluss könnte sie auf deine Arbeit haben?
Willi de Vries: Ich bin neuen digitalen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen. Für Recherche und zur Vereinfachung von Vorarbeiten ist KI nützlich. Letztendlich wird sie meine Arbeitsweise aber nicht grundlegend verändern, da der Fokus meiner Gemälde auf der handwerklichen und malerischen Tätigkeit liegt.
BOX: Vielen Dank für deine Zeit. Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und freuen uns darauf, noch viel von dir zu hören.