(Ralf) König und die Knollennasen

Ralf König

Seit Anfang der 80er Jahre macht Ralf König mit den Knollennasen Konrad und Paul, die gleichsam mit dem Leser in den Herbst des Lebens getreten sind, auf den schwulen Alltag auf die unterschiedlichsten Themen aufmerksam und hält der Community ein Stück weit den Spiegel vor. „Der bewegte Mann“, die erfolgreichste Verfilmung seiner Comics ist inzwischen ein Kultfilm und die Darsteller gehören zur A-Liste im deutschen Film.

Aber Ralf König hat noch viel mehr zu bieten, „Dschinn Dschinn“ befasst sich kritisch mit der Radikalisierung des Islams und in seinen Comics werden Prävention und HIV / Aids ebenfalls thematisiert und vor allem enttabuisiert.

Wir haben mit Ralf König über seine aktuelle Arbeit und sein Leben geredet.

 

BOX: Hallo Ralf, wie geht es dir?

RALF KÖNIG:  Jetzt müsste ich wohl sagen: Gut, aber… geht so. Meine Eltern sind fast Mitte 90 und nun gibt es einige Probleme. Lustig ist was anderes.

BOX: Oje. Das tut mir sehr leid. Ich glaube, viele Leser kennen deine Situation aus eigener Erfahrung und wünschen dir viel Kraft dafür! Es ist immer schwierig, wenn die Eltern nicht mehr so stark sind wie wir sie als Kinder in Erinnerung hatten. Deine Comics begleiten uns jetzt seit 40 Jahren und dir fällt immer wieder etwas Neues ein, was du uns erzählst. Gab es denn einmal eine Zeit, wo du dachtest, das war es jetzt, es sind alle Geschichten schon erzählt?

RALF KÖNIG: Nein, ich laufe immer mit mehreren Ideen gleichzeitig im Kopf rum. Im Gegenteil frage ich mich manchmal, ob ich all das, was ich noch machen will, noch aufs Papier kriege, ich bin ja schon 63! Und wie lange produziert man noch cooles Zeug?

BOX: Naja, 63 ist jetzt nicht wirklich alt. 60 ist das neue 40. Das heißt, da kommt noch einiges!

Man liest immer, Konrad und Paul sind auch immer ein Teil von dir. Wenn du dich selbst in einem Comic zeichnen müsstest, was wäre das für eine Figur?

RALF KÖNIG: Ich vermeide es, mich selbst zu zeichnen, dafür fließt einiges von mir in manche Nasen, die in den Comics vorkommen. Ich portraitiere ja auch explizit keine Freunde, wahrscheinlich hätte ich dann auch keine, haha. Nein, es ist besser, den Humor durch den Allgemeinwolf zu drehen, da ist niemand persönlich beleidigt, aber alle erkennen sich irgendwie wieder.

BOX: Zensur und Gegenwind ist dir ja nicht unbekannt, Dein Buch „Bullenklöten“ sollte Mitte der 90er Jahre auf den Index und wurde auch beschlagnahmt. Dann erlebten wir eigentlich eine Zeit der Lockerung, des Umbruchs und der Offenheit.

Momentan hat man jedoch das Gefühl, dass die Daumenschrauben wieder angezogen werden. Der Ton wird rauer, die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet. Wie empfindest Du das? Bist Du jemals gecancelt worden wegen eine Deiner Aussagen?

RALF KÖNIG: Naja, es gab vor ein paar Jahren diesen Wirbel um mein Wandbild am Rainbow House in Brüssel, das wurde von denen in Auftrag gegeben und feierlich eingeweiht, und vier Jahre später mit den Wörtern ‚rassistisch‘ und ‚transphob‘ besprüht. Es sollte gar entfernt werden, wenn ich nicht einen anderen Entwurf liefere, da hätte ich die dicke Tunte in der Mitte, von der man behauptete, es sei eine traurige Transfrau, verschlanken müssen, also dickenfeindlich war es auch noch. Die, die mir das vorwerfen, haben vermutlich nie ein Buch von mir gelesen, die sind jung und wissen gar nicht, wer ich bin. Und inzwischen ist das Bild auch von den Sprüchen gesäubert, man hat sich wohl damit arrangiert.

BOX: „Im bewegten Mann“ ist viel von der Subkultur die Rede. Gemeint ist die Community. Gibt es sowas wie die Community denn überhaupt noch? Und wenn ja, wo findet die statt? Was hat sich geändert?

RALF KÖNIG: Da bin ich ziemlich raus. Eigentlich stand ich sowieso immer mit einem Fuß neben der Community, ohne diesen Abstand könnte ich das Kuriose in der Szene gar nicht sehen und die Comics nicht zeichnen. Aber die CSDs sind doch immer noch beeindruckend, es gibt vielerlei Gruppierungen und die Aidshilfen haben genug zu tun, wenn auch weniger mit HIV, aber all das soziale… es gibt nach wie vor viele politisch engagierte Leute.

BOX: Mit deinen Comics unterhältst du eine mehrere Generationen umfassende Leserschaft. Deine Geschichten sind immer aktuell, witzig und unterhaltsam. Hast du das Gefühl, dass die jüngeren überhaupt noch mitgenommen werden können? Im Zeitalter von TikTok und Co., wird es da nicht immer schwerer, junge Menschen zu erreichen? Hast du das Gefühl, hier wächst was nach?

RALF KÖNIG: Naja, die jungen Schwulen wissen selten was von meinen Comics. Das ist normal, man trifft den Ton der eigenen Generation und vielleicht noch den der danach, aber dann wird’s schon dünn. Ich bedaure aber, dass Comics und Satire generell in der Szene nicht mehr gefragt zu sein scheinen. Jedenfalls sehe ich kaum Talente, die noch den Griffel schwingen und freche Cartoons zeichnen. Womöglich ist die Angst vorm Shitstorm zu groß. Dabei gäbe es gerade jetzt in der queeren Szene spannende Themen, die nach Humor und Selbstironie schreien.

BOX: Dein Band „ABBA Hallo“ liegt seit Anfang des Jahres in allen Buchläden aus. Hier behandelst du alle Themen von Corona bis Ukraine Krieg. Deine Zeichnungen der ABBA Bandmitglieder sind jetzt schon Kult und sind viral gegangen. Haben sich die Mitglieder von Abba schon bei dir gemeldet?

RALF KÖNIG: Haha, nein, der Comic ist auf schwedisch noch nicht erschienen. Aber Barbra Streisand hat sich auch noch nicht gemeldet, die hatte ich auch manchmal drauf. Die Karikaturen kommen vielleicht nicht schmeichelhaft rüber, dabei bin ich wirklich Fan!

BOX: Abschließende Frage, du bist inzwischen trotz vielen Gegenwinds eine feste Größe in der deutschen Kultur geworden. Ich erinnere mich an Debatten über angebliche Frauenfeindlichkeit in deinen Comics, oder fehlende Genderdiversität. Wird es irgendwann eine diverse Hauptfigur in deine Comics schaffen?

RALF KÖNIG: Ich poste ja jeden Tag einen KONRAD UND PAUL-Strip auf Instagram und Facebook, derzeit in der vierten Staffel, und da ist das mit den Genderdiversitäten seit Wochen das Thema. Da gibt es eine nicht-binäre Nase, Leo, und es gibt dazu sehr kontroverse Kommentare. Noch nie wurde so viel gestritten, wenn es um die Comics ging.  Die einen sagen, das mit den 73 Pride Flags und Identitäten ist alles Quatsch, die anderen fordern bedingungslos Respekt ein. Ich setze nur in die Sprechblasen, was so diskutiert wird und das reicht schon, um komisch zu sein. Die Knollennasen machen einiges lustig, was sonst nicht lustig ist.

BOX: Was macht Kritik mit dir persönlich? Wenn man so engagiert ist wie du und dann plötzlich feststellt, dass man missverstanden wird. Was bringt dich trotz allem dazu, immer wieder aufs Neue „zu brennen“ und immer wieder neue Geschichten zu erzählen?

RALF KÖNIG: Ich werde gar nicht so oft missverstanden. Oder ich kriege es nicht mit, keine Ahnung. Ich habe eine große, treue Leserschaft und bin froh, dass ich seit über vierzig Jahren vom Comiczeichnen leben kann. Das ist nicht selbstverständlich, in der Zeit sind einige Zeichner gekommen und gegangen.

BOX: Zu guter Letzt: Was steht in nächster Zeit bei dir an?

Sieht man dich zur Folsom in Berlin?

RALF KÖNIG: Auch wenn es desillusioniert: Da war ich noch nie. Ich war früher gern mal bei Fetischtreffen, beim Ledertreffen auf der Cap San Diego im Hamburger Hafen oder hier in Köln bei ‚Kerle vor die Säue‘. Da fand der Sex statt, den ich wollte, da war ich in der ersten Reihe. Allerdings habe ich mir die Leder- oder Military-Hose nur angezogen, um dem Dresscode zu genügen und überhaupt auf die Party zu kommen. So’n richtigen Klamottenfetisch hatte ich noch nie. Und das mit den Puppies heute finde ich auch eher kurios. Aber ich schicke womöglich Paul nach Berlin, wenn du also einen kleinen, niedlichen Lederkerl mit Knollennase siehst…  das ist mein Avatar!

BOX: Ich werde definitiv nach einem kleinen niedlichen Lederkerl mit Knollennase Ausschau halten! Ich danke für das Gespräch.