Mataina Awisus

Mataina Awisus ist seit Anfang der 90er in Berlin und darüber hinaus als ebenso begnadete wie auch gnadenlose DRAG unterwegs. Viele Jahre lang hat sie zusammen mit ihrer Show-Partnerin Melli Magic in der legendären PIERROS-Bar in Mykonos gearbeitet und ebenso viele Jahre beim GAY SNOW Happening in Sölden, bei PINK LAKE am Wörthersee und zuletzt beim Ski-Pride in Kaprun und beim BEACH PRIDE-Festival in Heiligenhafen. Mehrere Jahre hat sie auch die künstlerische Betreuung des BANGALUU-DINNER-Clubs gemacht und arbeitete neben der schwulen Szene auch immer gerne bei Heten-Partys. Gemeinsam mit vielen Gogos und Stripper*innen ist sie durch die harte Schule des Ku-Dorfs gegangen, hat viele Jahre im MAXXIM und bei den SIXX-PAXX gearbeitet. Zusammen mit ihrem Mann hat sie 6 Kinder und kennt das Leben auch ungeschminkt und auf flachen Sohlen. Seit langem schon sehnt sie sich danach, wieder nach Italien zu ziehen, wo sie zur Schule gegangen ist und studiert hat. Doch solange ihr Mann noch seine beruflichen Träume in Berlin verwirklichen will, wird auch sie uns erhalten bleiben.

BOX: Mataina, die Macher von FOLSOM EUROPE nennen dich gern ihre Office-Drag, was aber nicht für den Bürodrachen steht. Wie kommt eine von Berlins bekanntesten Drags bitte schön an den Bürojob eines Fetischvereins?

Mataina: Ich habe viele Jahre die HIV IM DIALOG und HIV IM FOKUS-Kongresse für  das Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, die Berliner AIDS-Hilfe und den Arbeitskreis AIDS niedergelassener Ärzte Berlin e.V. gemacht und hatte Erfahrung in Sachen Koordination. Der Tipp, mich zu fragen, kam aber von Thomas Bömkes aus München, für den ich seit einer gefühlten Ewigkeit schon die GAY ITB mache.

BOX: Was verbindet dich mit Fetisch? Dürfen wir bei dir klassische Latexoutfits im Bett oder auf der Bühne erwarten? Oder erregt dich privat etwas ganz anderes?

Mataina: Ich hab mit Fetisch im Sinne von FOLSOM eigentlich eher wenig zu tun. So geil wie Leder auch aussieht – alles was man nicht bei 90 Grad waschen kann, kommt leider nicht in meinen Kostümschrank. Mein Fetisch sind eher 70s-Schnurrbärte, wahrscheinlich ein Relikt meiner Jugend auf dem Land, als ich aus meiner niedersächsischen Heimatstadt Celle in der Lüneburger Heide bis nach Hannover zum Hauptbahnhof fahren musste, um mir verstohlen schwule Magazine zu kaufen, die ich dann im Stiefel unter der Hose nach Hause schmuggelte. Die Typen auf den Titelseiten dieser Blätter trugen oft diese geilen Schnäuzer. Mein Mann trägt übrigens auch einen…

BOX: Du bist jetzt seit ein paar Jahren die Mutter der Kompanie, schmeißt das Büro und verbringst viel Zeit mit den Berliner Ämtern. Was braucht es neben dem obligatorischen Faxgerät, um sich in den Ämtern der Stadt Gehör zu verschaffen und all die vielen Genehmigungen zu erhalten, die an Europas größtem Straßenfest der Leder- und Fetischszene hängen?

Mataina: Auch wenn Berlin sicher nicht weit vorn liegt in Sachen Digitalisierung, so hat das FAX bei den Ämtern aber mittlerweile ausgedient. Die Qualität ist einfach zu schlecht und so darf ich mittlerweile „schon“ alles mailen, auch wenn das für uns ja immer noch Neuland ist, wie Angela so treffend bemerkte…..

So ein Straßenfest beschäftigt die halbe Verwaltung: Ordnungsamt, Gewerbeamt, Umweltamt, Straßenverkehrsbehörde, Gesundheitsamt und natürlich auch die Polizei und Feuerwehr. Leider wechseln die Mitarbeiter in den Ämtern gefühlt jährlich, womit es schwierig ist, feste Ansprechpartner zu finden. Zudem sind die Ansprechpartner bei den Ämtern oft krank und überlastet und so muss ich vorher immer ein Stück Kreide fressen und einen fetten Schluck aus der Zuckerbrause nehmen, um meine Ansprechpartner bei Laune und bei der Stange zu halten. Auch kommen die Genehmigungen fürs Fest oft nur ein oder zwei Tage vor dem Fest. Ich arbeite also die ganze Zeit mit einem krassen Unsicherheitsfaktor. Insgesamt sind die Ämter uns aber sehr wohl gesonnen und zeigen sich offen und hilfsbereit. Und solange wir mit der Polizei per Du sind, kann doch eigentlich gar nichts schief gehen.

BOX: Du hattest vor der Corona-Pandemie bei FOLSOM EUROPE angefangen, dann die Dramen der Pandemie erlebt, als Events, Kunst und Kultur völlig am Boden lagen. Was hat dich am meisten beeindruckt in dieser Zeit in der Szene? Und inwieweit betrifft die Entwicklung der letzten Jahre auch heute noch die Planung und Durchführung von FOLSOM EUROPE?

Mataina: CoVid war eine echte Zäsur, was die Szene, die Kunst und am Ende auch mich persönlich angeht. Davon haben wir uns bis heute nicht ganz erholt. Viele Leute gehen einfach nicht mehr weg wie früher. Das Gedränge in schlecht belüfteten Clubs ist für alle, die Angst vor dem Virus haben ein Grund, sich davon fern zu halten. Zum Glück findet FOLSOM ja noch bei angenehmen Temperatur-und Wetterbedingungen statt und vor allem Outdoors. Masken hat dieses Jahr kaum noch jemand getragen. Wir hatten ehrlich gesagt auch mehr Angst vor den Affenpocken als vor Covid. Beides zum Glück eher unbegründet. Trotzdem planen wir weiterhin mit mehr Raum und Abstand. So buchen wir beispielsweise lieber die 70 cm breiten Tische als die normalen 50 cm breiten Biertische, um ein wenig mehr Abstand zu haben, wenn man sich gegenüber sitzt.

 

BOX: Das Straßenfest feiert dieses Jahr die 20. Auflage. Während sich viele Trends in der Szene abnutzen, scheint FOLSOM EUROPE stets zu wachsen und zu gedeihen.

Mataina: In den letzten Jahren kommen vermehrt junge, queere Menschen in die Szene. Die Puppy-Szene scheint förmlich zu explodieren und auch der klassische BLUF-Stil a la Tom of Finland erlebt sein Revival. Wie erklärst du dir diesen Trend? Was macht die Leder- und Fetischszene nach all den Jahrzehnten der queeren Emanzipierung noch so besonders?

Der klassische Tom of Finland-Stil ist ziemlich geil und zeitlos. Der findet in jeder neuen Generation seine Liebhaber. Neu hingegen sind die auffallend vielen Puppys, eine Spielart, die in erster Linie die jungen Schwulen begeistert. Keine Ahnung, ob die dann später auf die Leder- und Latex/Gummi-Schiene umschwenken, oder ob wir in 20 Jahren einen Haufen alter Kläffer auf dem Straßenfest haben. Natürlich sind die jungen Welpen erstmal ganz knuffig, aber so eine ausgewachsene alte Töle kann natürlich auch noch mächtig Eindruck machen.

Was ich persönlich am meisten mag sind bunte Fantasie- und Sportswear. Ein wenig weg vom vorherrschenden Schwarz hin zu den Farben des Regenbogens. Das ist aber eher noch die Ausnahme.

BOX: Wo siehst du FOLSOM EUROPE in weiteren 20 Jahren? Und dürfen wir dich dann immer noch am Vortrag des Straßenfestes mit Sprühkreide bewaffnet, am Handy wild gestikulierend und beim Einweisen von Bierwagen und Ständen erleben?

Mataina: In 20 Jahren bin ich ganz sicher nicht mehr bei der Planung und Ausführung des Straßenfests beteiligt. Da liege ich auf meiner Dachterrasse in Catania und schaue auf das Feuerspiel des Etnas oder auf die Boote im Hafen. Die Koordination des Straßenfests ist ein ziemlich anstrengender Job und ich bin jedes Jahr im Sommer kurz vor dem Burn-out. Ich will endlich auch mal wieder ganze Sommer genießen können. Vielleicht sollten wir FOLSOM aufs Frühjahr verlegen, dann könnte ich den Winter über arbeiten und hätte im Sommer Zeit für mich und meine Freunde. Aber da ist ja schon EASTER-Berlin. Ich denke aber, bis zum 25. Jubiläum werde ich noch dabei sein. In 20 Jahren werde ich dann nur noch als Besucher*in auf dem Straßenfest stolz meine alte Lederhaut zu Markte tragen und den jungen Kerlen einen Klaps auf den geilen Knackarsch geben. Ein wenig sexuelle Belästigung am ehemaligen Arbeitsplatz muss schon sein!

Bilder: Mataina Awisus