In Vorbereitung zu diesem Heft habe ich mehrfach ein paar Anzeigen bei Facebook geschaltet und Modelle gesucht. Die Anzeigen waren unterschiedlich, mal mit einem Puppy-Foto, mal nur mit Text. Eigentlich recht harmlos, dachte ich. Umso erstaunter war ich, dass ich teilweise sehr heftige Reaktionen hervorgerufen habe. So riet mir eine Profilinhaberin, meine „kranken Phantasien“ von einem „guten Therapeuten“ behandeln zu lassen.
Ursprünglich wollte ich an dieser Stelle einen humorigen und leichten Text zum Thema Fetisch schreiben, aber diese Reaktionen haben mich dann doch berührt.
Fetisch ist doch längst in der Mitte angekommen, dachte ich.
Leder, Harness, Halsband: Das sind doch längst Utensilien, die wir kennen und die keinen Aufreger mehr wert sind. Fetisch soll, für den, dem es gefällt, unsere Sexualität bereichern. Ob jemand auf Socken, auf Leder oder auf Plüsch steht: Fetisch beginnt im Kopf. Fetisch ist Fantasie und Verheißung zugleich. Wie mag der Mann hinter Maske aussehen? Was verbirgt sich unter seinem Anzug? Muskeln? Haare? Ein PA? Ist der Puppy hübsch? Wie kann dieser Gummi-Anzug geöffnet werden und was entdecke ich darunter?
Wir können alles in unser Gegenüber interpretieren und es erregt uns, umgekehrt ist der Fetisch-Mensch hinter der Maske sicher. Endlich kann er/sie/es jemand anderes sein, eine neue Persönlichkeit entwickeln und der Sexualität eine neue Facette geben.
Für viele ist Fetisch ein „Must-have“, ohne dass man nicht erregt wird. „Ohne Bart geht gar nicht“ – Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört! Bart, Haare, Muskeln – Für viele Schwule Attribute der Männlichkeit, ohne die nichts „geht“.
Aber was ist, wenn es weiter geht? Wo beginnt Fetisch und wo endet er? Fetisch beginnt im Kopf und hier gibt es keine Grenzen!
Fetisch ist für viele ein Lebensinhalt. Gerade auf der Folsom treffe ich immer wieder Menschen, die ihre Fetischkostüme liebevoll pflegen, oftmals selbst gestalten & mir stolz ihre neuen Errungenschaften präsentieren. Viele sehen den Fetisch als einen weiteren Reiz, der die Sinne erregt. Fetisch wird als Ergänzung zum eingängigen Sex genutzt. Ein „Add-on“ im Sexlife eben.
Nicht erst seit den „Fifty Shades“-Büchern ist BDSM in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Baumärkte verzeichneten nach Erscheinen des ersten Filmes einen rasanten Anstieg beim Verkauf von Kabelbindern. Folgebücher und weitere Literatur ließen auch nicht lange auf sich warten. Der Markt bietet für jede Fantasie das passende Buch. 27% aller Deutschen halten BDSM für eine Bereicherung ihres Sexlebens, also fast ein Drittel. 51 % haben es noch nicht ausprobiert, können es sich aber vorstellen. Also in der Mitte angekommen?
Nein, wie ich erfahren musste, gilt auch unter der Fetisch-Akzeptanz ein Toleranz-Ranking. Spätestens bei Puppies verdrehen schon viele in der queeren Szene die Augen. Dabei ist Fetisch doch vor allem ein Spiel mit der eigenen Fantasie. Jeder Puppy kennt noch das erregende Gefühl, wenn man sich erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Auf einmal ist man jemand anders, man wird nicht mehr als man selbst wahrgenommen, sondern als Objekt. Die Erfahrungen sind neu, aufregend und machen Lust auf mehr. Man kann sich verstecken, gehen lassen, seinen Willen aufgeben. Sich um nichts mehr kümmern müssen und einfach führen lassen, das ist für viele eine Erleichterung.
Auch wenn man bei vielen mit seinem Fetisch auf Unverständnis stößt, sollte man sich seine Fantasie nicht nehmen lassen. Solange es einem selbst gefällt, ist Fetisch eine Bereicherung.
Für diese Vielfalt steht die Folsom und ich freue mich auf all die verschiedenen Fetische, die ich dort sehen werde!
Und was die eingangs erwähnte Facebook Nutzerin angeht: Nein, ich bin nicht krank und ich brauche auch keinen guten Therapeuten, außer er gefällt mir.
In diesem Sinne: Lasst uns Spaß haben! Lasst eurer Fantasie freien Lauf! Seid offen auch denen gegenüber, deren Fetisch euch nicht so gefällt. Trefft euch, verbindet und verbündet euch!
Fetisch macht einfach Spaß!
Von Dirk Höveler