Als ich meine Transition vor etwas über sieben Jahren begann, hatte ich tausend Fragen im Kopf. Tausend Ängste und Vorstellungen von Steinen die eventuell auf dem Weg zu finden wären. Das ich beim Friseur für die gleiche Frisur als männlich gelesene Person plötzlich weniger zahlte als vorher war schon absurd. Das jedoch die Frage ob ich Männerduschgel benutze, unter anderem darüber entschied unter welchem Namen und Personenstand ich künftig geführt werden würde, war tatsächlich etwas, auf das ich mich nicht vorbereitet hatte.
Für viele trans* Menschen ist sehr schnell klar, dass auch der Name, den sie ungefragt ihr ganzes bisheriges Leben mittels Personalausweises rund um die Uhr mit sich rumtragen müssen, angepasst werden soll. In einer primär binär strukturierten Gesellschaft in denen es oft nur die sichtbaren Pole männlich und weiblich gibt, gibt es auch in einer Vielzahl der Fälle binäre Namen. Grundsätzlich ist es diskussionswürdig, ob überhaupt irgendwer sein Leben lang dazu verdammt sein sollte mit dem Namen durch die Weltgeschichte zu rennen, den die Eltern irgendwann mal schön fanden und der sich oft eben nicht mit der eigenen Vorstellung von Ästhetik deckt. Für trans* Menschen stellt dieser Zwang aber oftmals noch eine ganz andere Belastung dar. Generell sollte der psychische Stress, der aus dieser Inkongruenz entsteht Grund genug sein, jedem Menschen eine Änderung des Namens bedingungslos zu ermöglichen. Ein plakatives Beispiel für die Belastung, die aus diesem Zwang entstehen kann, wäre hier der bärtige trans* Mann, der bei der Bezahlung mit Karte an der Kasse mit weiblichen Namen unterschreiben muss, sofern er den Namen nicht offiziell über das sogenannte TSG (Transsexuellengesetz) hat ändern lassen. Um Menschen diese unangenehmen Situationen zu ersparen und den Leidensdruck zu reduzieren wurde das TSG, das erst am 1.11.2024 durch das Selbstbestimmungsgesetz abgelöst werden soll, ins Leben gerufen. Klingt doch super, oder vielleicht doch nicht…?
Vielleicht fängt man zuerst einmal bei dem irreführenden Namen an: Transsexuellengesetz. Nimmt man den Begriff auseinander ist schnell klar, dass das Gesetz schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Viele trans* Menschen lehnen heutzutage den Begriff transsexuell für sich ab. Mit der Sexualität hat das empfundene trans*-sein nämlich herzlich wenig zu tun. Der bewusste und sensible Gebrauch von Worten und Sprache im Allgemeinen war bei der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 1981 offensichtlich noch nicht so auf dem Vormarsch. Vor dem ersten Januar 1981 war es trans* Personen jedoch schlicht unmöglich, die Ausweisdokumente offiziell ändern zu lassen. Der erste Januar 1981 stellt daher zurecht einen Meilenstein für die Community dar. Mit dem Gesetz ging teilweise das erste Mal eine Sichtbarmachung abseits von Stigmatisierung von trans* Personen einher; eine Validierung der empfundenen Geschlechtszugehörigkeit, wenn man so will. Die juristische Bestätigung, dass trans* Personen nicht eine Gruppe von verrückten Menschen sind, die sich da in irgendwas verrennen und die es eigentlich ja gar nicht gibt.
Für viele betroffene Personen stellt das TSG auch heute noch eine Erleichterung im Alltag dar. Wer möchte schon gezwungen sein sich mit seinem „Deadname“ (aufgrund der Transition abgelegter Name, da dieser nicht mehr mit dem gelebten Geschlecht übereinstimmt) eine Bewerbung zu schreiben oder sich beim Kauf von alkoholischen Genussmitteln mal wieder erklären zu müssen? Das TSG bietet die Möglichkeit diese Situationen zu umgehen und in der Konsequenz alle Dokumente, selbst die Geburtsurkunde ändern zu lassen. Jedoch fordert dieser Weg seinen Tribut, sollte man sich entscheiden ihn zu gehen. Die Kosten-Nutzen-Rechnung geht für viele nicht auf. Nicht selten entschließen sich trans* Personen aufgrund der Hürden und der oftmals daraus resultierenden immensen psychischen Belastung dazu, das TSG nicht zu nutzen und stattdessen lieber weiterhin mit einem Namen, der als unpassend empfunden wird, zu leben. Verallgemeinernd kann man sagen, dass nur wenige Menschen, die nicht selbst betroffen sind oder sich nicht explizit über das Thema informierten, eine falsche Vorstellung von dem Gesetz haben.
Das TSG regelt nämlich ausschließlich die juristischen Prozesse, sprich die reine Bürokratie. Die Änderung der offiziellen Informationen zu Personenstand (Geschlecht) und Namen der Person. Ein großer Irrglaube ist, dass das Gesetz auch die medizinischen Maßnahmen regelt, beispielsweise die Indikation für eine gewünschte Hormonbehandlung oder angleichende Operationen über das TSG gestellt wird. Die Argumentation aus einigen Teilen der Gesellschaft, das TSG durch das Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen wäre ein Fehler, da vor allem betroffene Jugendliche und junge Erwachsene vor ihrer eigenen nicht rückgängig zu machenden Entscheidung für angleichende Eingriffe geschützt werden müssten, ist daher hinfällig. Wenn man sich vor Augen hält, dass das TSG eben ausschließlich Buchstaben auf Papieren regelt, kann man schon mal ein wenig energischer mit dem Kopf schütteln, um sein Unverständnis für den betriebenen Aufwand zum Ausdruck zu bringen. Die Änderungen über das TSG zu veranlassen, kostet nämlich viel Kraft, Geduld und Geld. Im Schnitt müssen trans* Personen 1868 Euro zahlen und zwischen fünf und zwanzig Monaten warten, um rechtmäßig ihre Dokumente ändern zu lassen. (Quelle:www.regenbogenportal.de, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend).
Offiziell ist der bürokratische Weg klar getrennt von der medizinischen Transition. Die Realität sieht jedoch anders aus. Nicht selten wird empfohlen, bereits auch in hormoneller Therapie zu sein, um den Wunsch für die Änderungen zu unterstreichen oder überhaupt erst anzuerkennen. Das ist auf vielen Ebenen problematisch: Es zwingt betroffene Personen einen Zeitraum X mit noch nicht geänderten Dokumenten ihr Leben zu bewältigen und setzt trans* Personen damit wohlwissentlich im besten Fall unangenehmen, in schlimmeren Fällen gefährlichen Situationen aus. Daneben ist zu benennen, dass nicht jede trans* Person angleichende medizinische Maßnahmen anstrebt oder sich binär identifiziert. Für diese Gruppe Menschen stellt das TSG nicht selten eine noch größere Hürde dar. Der Ablauf von der Beantragung bis zur Änderung der Dokumente geht oft mit einer Verschlechterung der psychischen Verfassung einher. Als besonders unangenehm wird von vielen betroffenen Personen der sogenannte Translebenslauf empfunden.
Mehr dazu in Teil 2.
Text von Janosh Wennemer