Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hat sich mit dem Appell „COVID-19 und die Auswirkungen auf die LSBTIQ*-Community“ an die Öffentlichkeit gewandt und weißt auf die besonderen Auswirkungen der Gesundheitskrise für die LSBTIQ*-Community hin.
Sie fordert zur Sicherung der Community-Strukturen einen nachhaltigen öffentlichen Dialog von Staatlichen Akteuren in Bund, Ländern und Kommunen, zivilgesellschaftlichen Akteurne und Unternehmen, um der besonderen Situation der LSBTIQ*-Community bei Bekämpfung der Pandemie Rechnung zu tragen:
Hier der Apell der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
Appell der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
an Staat und Gesellschaft | 03. September 2020
COVID-19 und die Auswirkungen auf die LSBTIQ*-Community
Das Coronavirus diskriminiert nicht, trifft jedoch auf diskriminierende gesellschaftliche Strukturen. Deswegen sind marginalisierte Gruppen besonders stark betroffen, unter diesen die LSBTIQ*-Community. Gemäß dem Ziel der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH), einer gesellschaftlichen Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bi-sexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Personen (Abkürzung: LSBTIQ*) in Deutschland entgegen- zuwirken, möchten der Vorstand und der wissenschaftliche Beirat der BMH auf drei Probleme hinweisen, Besorgnis zum Ausdruck bringen und zu Lösungsansätzen beitragen:
Erstens hat sich der medizinische Fokus in den letzten Monaten auf die Bekämpfung der Pandemie verlegt. Andere wichtige medizinisch notwendige Versorgungsleistungen (allgemeine Gesundheitsvorsorge; Behandlung chronischer (Infektions-)Erkrankungen; operative Eingriffe; Hormonbehandlungen; psychotherapeutische Versorgung) sind dem- gegenüber oftmals aufgeschoben worden. Davon sind LSBTIQ*-Personen überproportional negativ betroffen.
Zweitens hat häusliche Gewalt durch Ausgangssperren und eingeschränkte soziale Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts zugenommen. In Familien, in denen bereits vor der Pandemie besondere Spannungen bestanden (etwa in Familien, in denen LSBTIQ*-Personen wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität nicht akzeptiert werden), besteht ein erhöhtes Risiko häuslicher Gewalt. Dies betrifft insbesondere minderjährige LSBTIQ*-Personen, die bei ihren Eltern leben. Im Lockdown wurde zudem vielen LSBTIQ*-Personen die Verweigerung der staatlichen Anerken- nung ihrer Partnerschafts- und Familienmodelle wieder schmerzhaft bewusst, besonders wenn sie nicht in einem Haushalt zusammenleben.
Drittens ist die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen seit Monaten nur eingeschränkt möglich. Dies betrifft
zum einen den individuellen Zugang zu allgemeinen und speziellen Hilfs- und Förderprogrammen für die LSBTIQ*- Community sowie den Zugang zu Verwaltung und Justiz (etwa in Verfahren zu Personenstandsänderungen oder Aufnahme von Pflege- und Adoptivkindern). Zum anderen ist die institutionelle Absicherung von Community-Strukturen gefährdet, deren Angebote zeitweise nicht durchgeführt werden konnten und/oder deren weitere Förderung pandemiebedingt in Frage steht.
Vorstand und Fachbeirat der Stiftung erinnern an die grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik, insbesondere an das Recht auf (physische und psychische) Gesundheit sowie an die Diskriminierungsverbote. Der Staat muss die garantierten Grund- und Menschenrechte nicht nur selbst in seinen Handlungen achten, sondern auch positiv schützen und fördern.
Staatliche Akteure in Bund, Ländern und Kommunen, zivilgesellschaftliche Akteure und Unternehmen müssen bei der Bekämpfung der Pandemie die besondere Situation der LSBTIQ*-Community berücksichtigen und die besonderen negativen Effekte der Coronapandemie auf die LSBTIQ*-Community stärker erforschen und ihnen entgegenwirken. Es gibt vielfältige Ideen, wie die Situation verbessert werden kann. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld appelliert an staatliche und nichtstaatliche Akteure, mit der LSBTIQ*-Community zu diesen Zwecken einen nachhal- tigen öffentlichen Dialog zu führen. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bietet an, diesen Dialog zu bündeln und in eine konkrete Machbarkeit z. B. in Form eines bundesweiten Aktionsplans zu überführen.