„Wildes PrEPen“

Zwischen „wildem PrEPen“ und „Lifestyle Medizin“: Die Ergebnisse vieler Studien und die aktuellen Fallzahlen von HIV-Neuinfektionen in vielen Ländern zeigen: Die „Vor-Risiko-Vorsorge“ PrEP wirkt. Doch während in anderen Ländern, so den USA oder in Frankreich die PrEP längst im Rahmen von Programmen verfügbar und bezahlbar ist, herrscht in Deutschland Stillstand. Nun schafft das „wilde PrEPen“ zusätzliche Probleme.

Es gibt keinen Zweifel mehr: Dank der medikamentösen Vorsorge vor HIV-Ansteckungen mit PrEP können auch in Deutschland die Fälle von HIV – Ansteckungen deutlich über die bislang erfolgreiche Prävention (Safer-Sex-Botschaft und effektive Medikamente für HIV-Positive) hinaus gesenkt werden. Dem stehen derzeit die extremen Kosten des Medikaments Truvada und das Nichtstun der verantwortlichen Stellen entgegen.
Selbstzahler müssen bei einer täglichen Einnahme von Truvada monatlich ca. 820 Euro zahlen. Dieser Preis dürfte ab Mitte des Jahres, wenn das Patent der Firma Gilead Pharma für Truvada endet, deutlich sinken. Mitbewerber stehen schon in den Startlöchern und werden deutlich preiswertere Generika anbieten. Damit entfällt ein wichtiges Argument gegen die Erstattungsfähigkeit. Erst recht, wenn man die Gesamtkosten von Prävention den Kosten nach einer Infektion und der dann notwendigen lebenslangen Behandlung und Kosten durch Folgekrankheiten gegenüber stellt. Die Vorsorge kommt deutlich preiswerter.

Schon seit Ende November fordern deshalb Deutsche AIDS-Hilfe und Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter mit Verweis auf die Empfehlungen von WHO oder UNAIDS: „Die Zeit ist reif für die Einführung der medikamentösen HIV-Prophylaxe in Deutschland. Sie könnte helfen, die Zahl der HIV-Neuinfektionen nachhaltig zu senken.“

Doch bislang sperrt sich der Gemeinsame Bundesausschuss gegen eine Aufnahme der PrEP in die Vorsorge, erklärt sich dafür nicht zuständig. Und, wie zu erwarten, kommt Kritik von konservativer Seite oder AFD: Für sie wäre das „Lifestyle Medizin“. Die staatliche Förderung von ungeliebten Lebensweisen und Sexualität. Doch in der Politik melden sich auch die verantwortlichen Stimmen. Die Berliner SPD-Abgeordnete Mechthild Rawert (Berlin Tempelhof-Schöneberg) erklärte: „Ich bin der Überzeugung, dass die Zulassung der PrEP für die HIV-Prävention in Deutschland eine große Chance darstellt. Daher plädiere ich für eine qualitätsgesicherte, effektive und wirtschaftliche PrEP, die in ein Gesamt-Präventionskonzept integriert ist. Schlüssel hierfür ist eine verlässliche Kostenübernahme nach einer Preissenkung für Truvada.  … Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sich nach Aussagen seines Vorsitzenden Josef Hecken dafür „als nicht zuständig“ erklärt hat. Ich werde mich diesbezüglich an den G-BA wenden.“

Wildes PrEPen: Das Nichtstun der verantwortlichen Stellen führt derzeit zur Erscheinung des „wilden PrEPen“: Mehr und mehr besorgen sich die PrEP auf anderen Kanälen: So als Monatsdosis aus dem Ausland, und das schon für 50 Euro. Leider sind immer wieder nutzlose Plagiate dabei. Oder sie bitten HIV-positive Freunde, sich eine Truvada-Ration im Rahmen der HIV-Behandlung verschreiben zu lassen und teilen sich die Pillen auf.

Doch das wilde PrEPen birgt Gefahren und Nachteile: Ungetestete nehmen das Mittel, obwohl sie HIV-positiv sind. Damit gefährden sie ihre Gesundheit, da dies zu Resistenzen führt, und sie bleiben weiterhin ansteckend. Andere wiederum wenden die Pillen schlicht falsch an und infizieren sich. Rasches Handeln ist gefragt, lokale AIDS-Hilfen und Ärzte müssen in die Lage versetzt werden, die Vorsorge zu begleiten und zu betreuen. Die drei Schwerpunkte sind:
Kenne deinen HIV-Status!
PrEP ist nur bei HIV-Negativen wirksam! Testen ist angesagt.
Wie kann ich PrEP sicher bekommen?
Je schneller PrEP preiswert und auf Krankenschein verfügbar wird, je größer die Anwendung.
Wie nehme ich PrEP sicher ein?
Täglich, zu bestimmten Anlässen, in Beziehungen? Gerade hier können die lokalen AIDS-Hilfen aufklären und helfen.

Wichtige Internetadressen zu PrEP
iwwit.de/wissenscenter/prep
lovelazers.org/de/
iwantprepnow.co.uk (Englisch)
prepster.info  (Englisch)