OREO XETAL

Oreo Xetal ist der amtierende Mr Puppy France. Gegen fünf andere Kandidaten gewann er seinen Titel am 25. Mai 2019 in Paris. Hier spricht er mit Tyrone Rontganger über Ballspielbecken, Drag-Queen-Händler und die ‚alten‘ Vereine.

BOX: Woof Oreo! Es gibt immer noch viele Menschen in unserer Community, die Puppys nicht genau verstehen. Wie erklärst du das für Laier?
Oreo: Ein Puppy ist jemand, der sich zum Spaß und zum Spielen als echter biologischer Welpe präsentiert. Dabei will er Dummheiten machen, neue Dinge kennenlernen und machen. All dies zur Freude seines Handlers oder Masters, anderer Puppys und der Menschen um ihn herum! Jeder kann ein Puppy sein – es gibt keine Altersbedingungen, physische noch geschlechtsspezifische Forderungen. Alles, was zählt, ist der Wille, in seinen „Pup-Space“ – den Geist seines Puppy-Plays – freiwillig einzutauchen und seine „perverse“ Seite zu entdecken. Ein Puppy kann Outfits und Accessoires in allen Farben und Stoffen anziehen, was ihm auch die Möglichkeit bietet, die verschiedensten Fetische, wie Latex, Leder oder Neopren, zu probieren. Puppy-Play passt daher wirklich zu jedem Fetisch.

BOX: Woher stammt die Idee dahinter?
Oreo: Puppy-Play hat sich seit mehr als zehn Jahren als eine Ebene zwischen Fetischismus und Rollenspiel entwickelt. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder, die „Hunde-Training“, eine Form von BDSM, die eher nur sexuell und privat stattfindet, sind die Puppys vor allem sehr sozial. Puppys wollen öffentlich spielen und animiert werden.
Ein Puppy liebt es trotzdem, auf Kontrolle zu verzichten und daher gibt es auch für ihn keine Verpflichtungen. Einige wollen nur gesellig sein, andere nur Rollenspiel machen oder mit einem Ball herumtoben, während noch andere nur Sex haben und sich einem anderen unterwerfen möchten. Ein großer Teil jedoch befindet sich zwischen diesen Universen. Deswegen muss man die persönlichen Wünsche und Grenzen des einzelnen Puppys kennen, um seinen Erwartungen gerecht zu werden.

BOX: Muss ein Puppy zu einem Pack gehören?
Oreo: Puppys können Einzelgänger sein. Wir können aber auch zu einem Händler oder einem Pack gehören. In einem Pack gibt es natürlich eine Hierarchie: ein Alpha, der die anderen dominiert und von einem paar anderen unterstützt wird, die Betas. Die Omegas sind diejenigen, die sich von den anderen im Pack gerne unterwerfen. Die Alphas dürfen aber nicht nur dominieren, sie müssen auch für ihre Packs sorgen und Verantwortung tragen.

B OX: Wie bist Du ein Puppy geworden?
Oreo: Ich hatte vor einigen Jahren auf dem CSD in Paris meine erste Begegnung mit Puppys und dann kurz danach in Berlin auf dem Folsom Straßenfest. Ich fühlte mich ihnen gleich vom Anfang an dazu angezogen, aber zu der Zeit war ich noch neu in der Fetischszene und traute mich nicht besonders viel. Deswegen fing ich an, den Puppy-Gruppen auf den sozialen Medien anonym zu folgen, dabei habe auch eine Menge über sie gelernt. Dann lernte ich online einen Puppy aus Orléans kennen, wir trafen uns bei ihm und ich wechselte von der Theorie in die Praxis! An diesem Abend – den 18. Juni 2018 – bin ich dann als Puppy geboren.

BOX: Als Puppy ‚geboren‘?
Oreo: Ja, so sagt man das! Als ich dann wieder zu Hause in Paris war, setzte ich mich mit den anderen Puppys in Kontakt, mit den ich auf den sozialen Medien bis dahin gechattet hatte. Ich ging einkaufen, kaufte mir meine erste Puppy-Maske und spielte vorerst alleine in einer Ecke in meiner Wohnung. Ich fand richtig viel Freude daran und war wirklich glücklich.

BOX: Und du wechseltest dann gleich auch Deinen Namen?
Oreo: Naja, die Zeit war endlich gekommen, mir einen Puppy-Namen zu geben. Das war aber nicht so einfach, denn mir fiel am Anfang einfach nichts ein! Ich fand heraus, dass die Hundenamen in dem Jahr mit einem ‚O‘ anfingen und googelte mir eine Nameliste für Hunde. Den Namen ‚Oreo‘ stach mir heraus, weil es am besten zu mir passt: Oreo-Kekse kommen in einer blau-schwarz-weißen Packung, die meinen persönlichen Hanky-Codes genau entsprechen, und sie wecken das Neugier nach etwas Leckerem.

BOX: Wie ging es dann als ‚Oreo‘ weiter?
Oreo: Ich hatte zu dem Zeitpunkt alles, was ich brauchte – nur leider noch kein Master! Bei den Gay Games im August 2018 lernte ich meine erste Herrin, Mistress Kyssy Bang Bang – eine Drag-Queen aus Paris – kennen. Wir haben uns gleich auf Anhieb echt gut verstanden, da war eine Art Zauber zwischen uns und mit ihr hatte ich an demselben Tag mein Outing als Puppy. Mit ihr lernte ich immer mehr Puppys kennen und ging dann nach circa sechs Wochen zu meinem ersten Puppy-Meeting. Ab dann fühlte ich mich wie ein Teil der Community und war sehr stolz. Dort habe ich auch Barka Xetal, getroffen, der mein neuer Händler wurde. Seitdem gehöre ich zu der Familie Xetal und nehme regelmäßig an den Puppy-Meetings teil. Mit der Familie besuche ich die verschiedenen Fetisch-Events in Frankreich und auch im Ausland. Das alles gibt mir sehr viel zurück.

BOX: Deswegen wolltest Du Mr. Puppy France werden?
Oreo: Es kam eigentlich alles durch einen einfachen Vorschlag, der mir meine Händlerin November 2018 machte. Ich überlegte es mir und ließ mir wirklich alles durch den Kopf gehen. Da waren sehr viele Zweifel, aber die Aufregung und die Begeisterung waren einfach viel stärker – ich wollte dann unbedingt mitmachen und dabei sein. Ich möchte Puppy-Play nicht nur etwas mehr in die anderen Fetisch-Communities miteinbinden, sondern natürlich auch die Puppys in Frankreich sichtbarer machen. Die Wahl und der Titel „Mr. Puppy France“ mögen sehr spaßig sein, aber desto größer sind die Verantwortungen als Titelträger. Egal, was für einen Titel man innehat, muss ein Titelträger seiner Community zur Verfügung stehen und sie mit erkennbaren, definierbaren Schritten unterstützen und vertreten. Daher habe ich den „K9-Club“ gegründet, ein monatliches Event im Pariser „Quetzal“. Jeder kann da zu uns kommen, um die Puppys zu sehen und kennenzulernen, damit man selber sieht, worum es sich alles handelt. Dort probieren viele zum ersten Mal überhaupt eine Puppy-Maske oder tauchen in den Ballspielbecken hinein, um dort mit den Puppys zu spielen. Es gibt dort aber auch eine reine „Puppy-Zone“, wo sich nur Puppys zum Spielen treffen. Erst November 2019 fand die erste „K9“-Veranstaltung außerhalb Paris, durch die Unterstützung des ‚Evidence-Vereins‘, in Nizza statt. Es kommt auch ein komplettes Puppy-Play-Wochenende in Paris am 24. Januar 2020*.

BOX: In anderen Wörtern werden die Puppys immer mehr …
Oreo: Man beobachtet dieses Phänomen seit Jahren. Ja, die Puppy-Community wächst ständig und wird dabei immer diverser. Viele junge Männer bekommen durch die Puppy-Community überhaupt die Möglichkeit, ihre Fetischseite zu entdecken. Die Puppys sind mehr als eine Gruppe für sich, sondern auch in jeder sonstigen Fetischszene zu Hause, ob Gummi, Leder oder Sports. Außerdem sehen wir, wie die Puppys mit den anderen Fetischszenen zunehmend kollabieren. Ich kann mich in der Tat nicht mehr an das letzte Fetischevent erinnern, wo keine Puppys dabei waren. Daher glaube ich, dass wir wegen unserer Offenheit zu anderen Gruppierungen und ihrer Offenheit uns gegenüber viel anzubieten haben. Mit unserer Leichtigkeit im Leben bringen wir Spaß in manchen etwas langweiligen oder trockenen Veranstaltungen mit, was für sich zu einer Evolution in der Fetischszene führt. Ja, nach meiner Meinung, gehören die Puppys voll und ganz in der Fetisch-Community – jetzt und in der Zukunft.

BOX: Trotz des ganzen Spaßes, welche Pflichten hast Du als Mr. Puppy France?
Oreo: Wie ich vorhin gesagt habe, ist meine Rolle, die französischen Puppy-Community in ihrer ganzen Vielfalt zu vertreten, national und international. Jeder Puppy kann mich kontaktieren, wenn er Fragen oder Probleme hat. Ich habe aber trotzdem keine Supermächte! Ich bin nur ein Puppy, der sich seine Community verpflichtet, um die Puppyszene in Frankreich voranzubringen, damit immer mehr Menschen etwas davon haben.

BOX: Es gibt viele Gerüchte, dass die internationalen Puppy-Communitys schon etwas verstritten sind. Wieviel Wahrheit steckt dahinter?
Oreo: Echt? Das höre ich jetzt von dir zum ersten Mal, Tyrone! Naja, es gibt immer wieder Dramen in der Fetischcommunity. Wenn man eine Gruppe von verschiedenen Menschen zusammenbringt, finde ich das aber ganz normal, denn jeder hat andere Wünsche und Bedürfnisse. Trotzdem erkenne ich selber zwei Gefahren: zum einen, dass sich viele neuen Puppy-Gruppen von den traditionellen Vereinen lösen und unabhängig sein wollen. Obwohl Veränderungen nicht unbedingt schlecht sind, ist es trotzdem schade, weil wir ohne die ‚alten‘ Vereine heute nicht da wären, wo wir sind. Unsere Entwicklung in der Fetischszene haben wir zu einem großen Teil den traditionellen Vereinen zu verdanken. Es gibt aber schon viele jungen Puppys, die alles persönlich nehmen und sich wegen der alten Vereine aufregen, aber es gibt wirklich keinen Platz für Machtkämpfe unter uns, denn die schaden uns alle. Wir müssen alle miteinander wachsen und uns entwickeln, ob Hand-in-Hand oder Pfote-in-Pfote.
Zum anderen ist die Puppy-Community wirklich unheimlich vielfältig. Wir bestehen aus allen Altersgruppen, jeder sexuellen Orientierung, jedem Fetischgeschmack, Männern und auch Frauen. Wir besprechen daher schon ziemlich oft, wie wir inklusiver werden können und in welchem Umfang wir das Sexuelle in Vordergrund stellen sollten. Man darf dabei nicht vergessen, dass Puppys für Freiheit und Spaß stehen. Ich glaube, jeder Puppy muss genau das sein, wie er sich als Puppy fühlt, solange er andere Menschen und sexuelle Praktiken respektiert.

BOX: Was sind die wichtigsten Events für Puppys?
Oreo: Es gibt eine Menge Puppy-Events überall auf der Welt. Viele örtliche Gruppen veranstalten Events, um neue Menschen dazu einzuladen, die Puppys besser kennenzulernen und beim Spielen mitzumachen. Nach meiner Meinung jedoch ist das größte Event die jährliche „IPTC-Wahl“ in der USA, die die besten Puppys und Händler weltweit auszeichnen. Es gibt auch die nationale Mister-Wahlen, die immer lustig und schön sind. Dazu gehört für mich die „Mr. Puppy Europe“ Wahl, die in Antwerpen zum Leatherpride Belgium stattfindet. Viele Puppy-Events sind um die schon bestehenden Fetischveranstaltungen entstanden, wie zum Beispiel bei Folsom Europe, Maspalomas Fetish Week, Paris Fetish oder Fetish Week London. Dort findet man mittlerweile definitiv etwas Spaßiges für die Puppys.

BOX: Danke für das Interview, Oreo. Hast du eine Botschaft für die deutsche Puppy-Community?
Oreo: Ich finde, die Puppy Community Deutschlands richtig schön, bunt und groß. Es freut mich sehr, dass meine deutschen Puppy-Freunde immer wieder das Reichtum und die Diversität ihrer tollen Fetischcommunity genießen können. Ich hoffe, sie können dabei die aktuelle Politik vergessen und sich auf ihr Zeil konzentrieren: als Puppy Spaß zu haben und frei zu sein.
*Weitere Informationen findest Du auf der Facebook-Seite “Mister Puppy France”.