Inseiner Kolumne schreibt Thorsten, Mr. Leather Europe 2015, über Erfahrungen und Begebenheiten der europäischen Leder- und Fetisch-Community. Die Veranstaltungen in Europa, die er besucht, werden vorrangig von nicht-kommerziellen Vereinen organisiert. In vielen Vereinen ist zu beobachten, dass die Mitglieder oft überaltert sind, das freiwillige Engagement nachlässt und finanzielle Schwierigkeiten den bestehenden Tatendrang hindern.
Vereinsarbeit bedarf einer gewissen Leidenschaft für die Sache. Ich habe in den vergangenen Monaten sehr viele Vereine und deren Mitglieder kennengelernt, die sich hingebungsvoll engagieren und beeindruckende Events oder Aktivitäten auf die Beine stellen. Die Vereine setzen auf das Ehrenamt und um wieviel ärmer wäre unsere Community ohne die Menschen, die sich unentgeltlich einsetzen. Ehrenamtliche Mitglieder suchen nach Gleichgesinnten, sie fördern durch ihre Mitarbeit das Wir-Gefühl und erkennen dabei, dass sie die Community zu einem gewissen Maß nach eigenen Vorstellungen gestalten können. Zweifellos ist die unentgeltliche Tätigkeit zeitintensiv, wird jedoch im Gegenzug mit der Wertschätzung anderer belohnt.
Oft regt sich Kritik, dass eingesessene Vorstandsmitglieder und deren Ideen in die Jahre gekommen sind, sich das Angebot und die Tätigkeit der Vereine nicht nach den Interessen junger Leute richtet. Auch wird ein Fehlen an jungen Vorstandsmitgliedern bemängelt. Kritik ist schnell geübt, und wie in so vielen Fällen möge auch hier an die Kritiker appelliert werden: Selber besser machen, dann erst kritisieren. Nicht selten kommt es zur Gründung von neuen Vereinen, sei es aus Protest oder aus Uneinigkeit untereinander. Damit ist allerdings niemandem wirklich geholfen, wenn in einer Stadt oder einer Region plötzlich zwei Vereine mit identischem Zweck sich gegenseitig Konkurrenz machen und um Mitglieder buhlen. Stattdessen ist es doch viel sinnvoller, sich zusammenzutun, Pionierarbeit sowie Erfahrung der etablierten Mitglieder zu nutzen und gleichzeitig Visionen und den frischen Wind der Newcomer optimal zu kombinieren. Bei der Vereinsarbeit sollte der Selbstzweck hinter das Gemeinwohl treten, damit sich Vereine nicht abschotten.
Eine wichtige Rolle spielen dabei aus meiner eigenen Erfahrung die Titelträger. Jedes Jahr wird ein neues Gesicht gewählt, das seinen Verein nach außen repräsentiert und nicht unwesentlich Einfluss darauf hat, das Vereinsleben mitzugestalten. Diese jährlich wechselnde Rolle bringt nicht nur kurzfristig frischen Wind, die meisten ehemaligen Titelträger bleiben ihrem Verein treu und engagieren sich auch über ihr Titeljahr hinaus tatkräftig. Sie können maßgeblich ihre Vereine mit den Social Media vernetzen, die für viele die neue Art der Kontaktpflege ist und das Vereinsleben teilweise obsolet macht, und somit den sozialen Wandel wiederum mittragen.
Ein weiterer guter Ansatz ist die Umbenennung der Vereinsnamen. Mit gutem Beispiel voran gehen englische Clubs wie die London Leathermen und die Manchester Leathermen. Erstere haben ihren Namen von MSC Motor Sport Club London in London Leathermen geändert, da sie immer öfters das Feedback von jungen Fetischisten erhalten hatten, sie seien keine Motoradfahrer und daher spräche sie der Verein nicht an. In Manchester gab es den 1982 gegründeten Verein MSC Manchester Super Chain und seit 2012 die Manchester Leather Men, die als gesonderte Gruppe auftrat. 2014 taten sich beide Vereine zusammen, um gemeinsam stärker aufzutreten und die Vorteile beider Gruppen zu nutzen.
Essentiell ist es, mit den ständigen Veränderungen unserer Gesellschaft mitzuhalten, mit anderen zu kooperieren und Einigkeit zu zeigen. Unsere Fetisch-Community ist Nische genug und sollte nicht noch weiter geteilt und heruntergebrochen werden. Eine der Hauptaufgaben der Vereine sollte sein, der schwindenden Bereitschaft, ohne größere Bezahlung ehrenamtlich leitende Aufgaben zu übernehmen, entgegenzuwirken und die Vereinsarbeit attraktiv zu machen. Das Ehrenamt ist weder Nische für Geltungsdrang noch Zeitvertreib, sondern die Stütze unserer Community und unsere Möglichkeit, unser Umfeld mitzugestalten und zu verbessern. Ansonsten unterliegen wir immer mehr dem Diktat der kommerziellen Organisationen, die die großen Mainstream-Veranstaltungen organisieren, auf die wir ohne aktive Vereine und deren Individualität angewiesen wären.