Bei dem International Mr. Leather 2015 in Chicago erreichte Kevin Murphy, der erste Mr. Leather Ireland, gleich den 2. Platz. Hier erzählt er Tyrone Rontganger, wie er es geschafft hat und was er sich aus Irlands Homo-Ehe erhofft.
Name: Kevin Murphy
Alter: 33
Beruf: Psychologe
Hobbys: Gitarre spielen, Reisen, Snowboarden, Klettern
BOX: Hi Kev, erst im Januar hast du den Titel ‚Mr. Leather Ireland‘ gewonnen und dann vier Monate später gleich den 2. Platz beim International Mr. Leather abgeräumt. Wie hast du das so schnell geschafft?
Kevin: Hi Tyrone, da du selber in der Jury bei meiner Wahl in Dublin dabei warst, hast du bestimmt selber gesehen, wer ich bin und was ich mich ausmacht. Ich habe nicht daran teilgenommen, um die Wahl zu gewinnen, sondern eher um Erfahrungen zu sammeln. Ich hab an mich geglaubt, weil andere an mich geglaubt haben und mich dadurch unterstützten. Ich wusste, dass ich mich nicht verstellen dürfte, denn wenn man versucht, jemand anders zu sein, gerät man mit der Zeit nur in Schwierigkeiten. Ich glaube an das, was ich tue und ich genieße es auch.
Beim IML geht es eigentlich nur darum, zu zeigen, wie du selber bist. Die Leistung des 2. Platzes gehört nicht nur mir, sondern der ganzen Community Irlands, meinen Freunden, den anderen Schärpenträgern, meinem Partner und allen, die mich auf dieser Reise begleiten.
BOX: Ich war bei Patrick Smith, dem neuen IML, auch in der Jury bei seiner Wahl zum Mr. Leather Los Angeles und finde es toll, dass meine beiden ‚Schützlinge‘ die Top Two IML-Plätze erreicht haben! Trotzdem möchte ich es von dir etwas genauer wissen …
Kevin: Okay, ich stehe für Gleichheit, Vielfältigkeit und Einschließlichkeit. Irland steht auch in letzter Zeit wegen der Volksabstimmung zur Homo-Ehe sehr viel in den Schlagzeilen – das waren alles Werte, die ich dann beim IML deutlich und exemplarisch einsetzen konnte und die alle verstehen konnten. Obwohl Irland ein kleines Land ist, ist es bei den Amerikanern ein sehr beliebtes Reiseziel und auch in der Fetischszene hier arbeiten wir aktiv daran, es ihnen noch attraktiver zu machen. Ich kann außerdem sehr gut reden und habe wirklich für jeden ein Ohr. Ich hatte an diesem Wochenende natürlich auch Glück!
BOX: Über mehrere Jahre hatten die europäischen Kandidaten meistens kaum eine Chance beim IML und haben immer wieder die Top 20 weit verfehlt. Viele beschwerten sich, es sei alles viel zu amerikanisch. Dieses Jahr jedoch haben alle fünf Europäer einen Platz unter den Finalisten geschafft. Wie kann man das erklären?
Kevin: Auch vor dem IML stand ich schon im engen Kontakt mit ein paar der anderen europäischen Kandidaten, damit wir uns gegenseitig unterstützen konnten. Wir haben auf facebook regelmäßig gechattet und kurz vor dem IML habe ich über WhatsApp eine informelle Chatgruppe gebildet, wo auch die Amerikaner mitchatten konnten. Es war eine tolle Gelegenheit, uns etwas persönlich kennenzulernen, obwohl wir uns eigentlich nie getroffen hatten. Es gab uns auch hier die Chance, uns etwas an sie und die US-amerikanische Art anzupassen. Dadurch waren wir alle viel entspannter, als wir dann dort eintrafen – obwohl viele von ihnen in ihren Ledersachen echt heiß aussehen, was für uns sehr einschüchternd sein kann. Die Amerikaner haben da ganz andere Ansprüche! Da ich nicht weiß, wie es in den vorigen Jahren gewesen war, kann ich dazu nichts Konkretes sagen, aber ich weiß, dass wir hier aus Europa alle sehr hart daran gearbeitet hatten, um dort die Top 20 zu erreichen.
BOX: Bis 1993 war die Homosexualität in Irland illegal und schon innerhalb eines Vierteljahrhunderts dürfen dort Schwule heiraten! Was führte zu dieser Änderung in der irischen Kultur?
Kevin: Es stimmt, bis 1993 war die Homosexualität in Irland verboten und es ist schon eine riesige Leistung, innerhalb von 22 Jahren die Ehegleichstellung erreicht zu haben. Vor 20 Jahren waren LGBTQ-Leute nur eine Randgruppe ‚Anderer‘! Wir mussten zeigen, dass wir auch ganz normale Menschen sind – und nicht nur eine Sondererscheinung – sondern die Söhne, Brüder, Töchter, Väter, Mütter, Freunde und Arbeitskollegen anderer normaler Menschen. Das passierte natürlich nicht über Nacht und war nur mit viel persönlichem Einsatz möglich. Die Bevölkerung Irlands brauchte Zeit, sich daran zu gewöhnen. Vor vier Jahren wurde dann die ‚eingetragene Lebenspartnerschaft‘ eingeführt, die eigentlich nur die unfairen Unterschiede betonte. Die Menschen hier wurden immer mehr von LGBTQ-Themen wach gerüttelt und hörten immer mehr zu, anstatt einfach wegzuschauen.
Die irische Kultur wurde auch sehr lange und sehr stark durch die katholische Kirche geprägt, die hier einen riesigen Einfluss hatte. Da kamen aber zunehmend so viele Widersprüche und öffentliche Skandale mit der Kirche und langsam erkannten wir, dass wir uns damit auseinandersetzen mussten.
Man kann eine Kultur nicht ‚einfach so‘ verändern, aber man sollte immer wieder versuchen, den Leuten etwas Anderes zu zeigen und ihnen die Chance geben, etwas für sich selbst zu ändern. Ich hoffe, das Ergebnis unserer Volksabstimmung hier wird die Politik anderer Länder positiv beeinflussen.
BOX: Du sagst, dass dort nichts über Nacht passiert ist, aber wie erklärst du denn die starke Popularität ‚Geared Irelands‘, des nationalen irischen Fetischvereins? Vor ein paar Jahren war er wirklich sehr klein, ist aber mittlerweile europaweit schon sehr populär geworden.
Kevin: Man braucht Zeit, eine Kultur zu ändern. Eine Veränderung selbst kann aber jedoch sehr schnell geschehen. Popularität hat auch nicht nur mit der Größe zu tun, sondern auch mit Qualität! Die Fetischszene in Irland, im Vergleich mit anderen Ländern wie Deutschland zum Beispiel, ist heute noch relativ klein, aber sie wächst. Alles was neu ist, ist auch spannend und einer Gruppe anzugehören, macht Spaß in mehreren Hinsichten!
Vor ein paar Jahren schlossen sich ein paar Typen zusammen, die ehrenamtlich einen monatlichen Fetischevent organisieren wollten. Sie gingen in die breite LGBTQ-Community hinaus, wo sie dann mit anderen Gruppen arbeiten konnten und organisierten Benefizveranstaltungen für Wohltätigkeitsorganisationen in Irland. Da sie eng mit der LGBTQ-Community zusammenarbeiteten, dauerte es nicht lange, bis sie immer bekannter wurden. Sie stellen noch heute vielen Neugierigen die Fetischszene vor und es interessieren sich immer mehr Männer dafür. Mittlerweile fühlen sich ganz viele Typen hier wohl in ihren Fetischsachen und die Szene wird daher allgemein immer weniger verpönt. Ich freue mich schon darauf, wie sie sich in der Zukunft entwickeln wird.
BOX: Als du am Jahresanfang Mr. Leather Ireland wurdest, sah damals die Zukunft nicht besonders gut aus! Da war doch ein zweiter Titelträger mit genau demselben Titel zur selben Zeit …
Kevin: Wie ich es auch schon damals betrachtete, sah die Zukunft trotzdem gut aus! Es gab einen bürokratischen Streit um die Mister-Titelrechte, aber Geared Ireland hatte für sich den Titel bereits patentieren lassen. Es ist eine große Hilfe, dass ich von Mr. Rubber Ireland und Mr. Geared Ireland viel Unterstützung bekomme und wir arbeiten eng zusammen. Es wäre auch schön gewesen, noch einen Titelträger dabei gehabt zu haben, denn wir hätten dadurch vielleicht etwas mehr erreichen können, und daher ist es sehr schade, dass unsere beiden Titel in Konflikt waren.
BOX: Wie bist du selber in die Lederszene gekommen? Was törnt dich dabei an?
Kevin: Obwohl ich immer an Leder interessiert war, habe ich erst vor ein paar Jahren so richtig damit angefangen, es regelmäßig zu tragen. Ich hatte bereits ein paar Bars in Europa besucht, durch Freunde lernte ich dann die Typen von Geared Ireland kennen und wurde dann auch hier aktiv in der Szene.
Wenn ich Leder trage, fühle ich mich selbstbewusster, passionierter und geiler. In Leder kann ich meine Gefühle, Ideen, Gedanken, Fantasien ausdrücken und vieles mehr, ohne überhaupt ein Wort zu sagen. Leder macht nicht nur den Sex kreativer, sondern auch das Leben!
BOX: Was hast du in deinem Titeljahr noch vor?
Kevin: Vor allen Dingen will ich die Community-Zusammenarbeit sowohl in Irland als auch im Ausland promoten. Ich möchte Geared Irland etwas sichtbarer machen, damit es weiter wachsen kann. Ich würde auch die geistige Gesundheit und allgemeines Wohlbefinden bei Männern fördern, z.B. mit meiner Arbeit hier bei dem schwulen Überfalltelefon, aber auch mit verschiedenen internationalen Projekten. Da Titelträger in Irland eigentlich ein neues Phänomen ist, würde ich sehr gern diese Titelträgerschaft etwas strategischer definieren, damit die Träger dieses Titels in Zukunft etwas mehr Unterstützung bekommen. Ich werde hier schon ganz schön unterstützt, aber wir haben trotzdem noch viel zu lernen, das mit ein wenig mehr Struktur verbessert werden kann.
BOX: Du hast auf der Bühne in Chicago deinem Partner einen Heiratsantrag gemacht, was bis dahin noch nie passiert war. Ich hoffe, er hat es angenommen …
Kevin: Als ich es machte, wusste ich nicht, dass ich damit der Erste war! Und er hat auch „Ja“ gesagt! Seitdem ist alles so schnell passiert, aber wir nehmen uns schon die Zeit, unsere Hochzeit zu planen. Man braucht in Irland ca. 3 Monate für die Heiratserlaubnis, und daher müssen wir schon geduldig sein und dürfen uns damit nicht überstürzen. Das finde ich gut, denn wir haben dadurch genug Zeit, alles schon richtig zu machen. Es ist für uns beide eine sehr wichtige Sache. Da er Weihnachten liebt und ich gerne einen schneeweißen Hintergrund für unsere Hochzeitfotos hätte, hoffen wir im Winter zu heiraten, aber es steht alles noch nicht fest. Du wirst daher wie alle anderen auf deine Einladung warten müssen und dieses Mal, Tyrone, wirst du bestimmt nichts im Voraus erfahren.