Mike Stu war bis zum 14. März Mr. Leather Poland 2014. Hier im exklusiven Interview für BOX mit German Mr. Leather 2013 & 2014 Tyrone Rontganger erzählte er uns über sein Fetischleben im kommunistischen Osteuropa, seine Enttäuschungen mit der Lederszene und seine Hoffnung für Polens Lederzukunft.
Stats:
Name: Mike Stu
Alter: 36
Beruf: Flugbegleiter
Hobbys: Reisen, Flugzeuge, Kochen, Leder
Tyrone: Erst vor ein paar Wochen hast du den Titel “Mr. Leather Poland“ an deinen Nachfolger weitergegeben. Wie ist das für dich jetzt? Bist du traurig oder ist es eher eine Erleichterung?
Mike: Beides gleichzeitig! Ich bin traurig, weil es wirklich ein tolles Jahr war und ich habe jeden Moment genossen. Ich bin viel gereist und habe ganz viele geile Ledertypen kennengelernt, wovon viele auch zu Freunden geworden sind. In Polen habe ich vielen die Augen für die Fetischszene geöffnet und für viele im Ausland war die Fetischszene in unserem ehemaligen kommunistischen Land nur dunkel und langweilig. Bis ich dann auftauchte! *lacht* Ich bin aber auch erleichtert, dass das verrückte Jahr endlich vorbei ist. Es war eine Menge Arbeit, die leider nicht immer anerkannt wurde, wie ich es gerne gehabt hätte. Jetzt werde ich etwas langsamer treten.
Tyrone: Welche Ratschläge hast du deinem Nachfolger schon gegeben?
Mike: Ich habe ihm gesagt, er soll vor allen Dingen Spaß haben, aber auch dass er mich nicht enttäuschen darf! Vielleicht kommt es eingebildet rüber, aber ich weiß, wie viel ich letztes Jahr für die Ledermänner in Polen gemacht habe und ich möchte, dass er weitermacht, wo ich aufgehört habe. Er wird unter seinem Leder eine dicke Haut brauchen, weil ihn viele beobachten und auch kritisieren werden. Ich hoffe, er hat Spaß, aber auch dabei das nötige Durchsetzungsvermögen.
Tyrone: Man darf bis zu einem Jahr nach der Titelabgabe noch beim IML teilnehmen. Wirst du dieses Jahr als erster Vertreter eines osteuropäischen Landes dabei sein?
Mike: Es gab noch nie einen IML-Teilnehmer aus Osteuropa in Chicago, das stimmt! Daher habe ich bereits viel Aufmerksamkeit bekommen und schon viele Anfragen wegen Interviews und Meetings in Chicago erhalten. Ich weiß aber noch nicht genau, ob sie richtig verstanden haben, dass ich Mr. Leather Poland bin! *lacht*. Alle sagen, es ist eine einmalige Lebenserfahrung, dabei zu sein und das alles mit den Mitstreitern zu erleben. Ich war letztes Jahr da, jedoch im Publikum, und daher weiß ich auch, wie amerikanisch und übertrieben es ist. Ich bin in den USA großgeworden und kenne mich mit der Kultur aus: Es ist eine Wahl und jeder will gewinnen, egal was sie sagen! Wir Europäer stehen nicht so viel unter Druck wie die Amerikaner, denn hier hat der IML-Titel kaum eine Bedeutung. Viele Typen hier kennen ihn gar nicht oder interessieren sich nicht dafür. Ich habe genug Freunde und Follower auf Facebook, ich brauche keinen Titel mehr und deswegen wäre es mir wirklich ein sehr teurer Spaß!
Tyrone: Was war für dich das schönste Erlebnis deines Titeljahrs?
Mike: Gewiss Hunderte von Lederkerlen von überall auf der Welt kennenzulernen. Ich bekam Einladungen sogar aus Japan und Australien. Es war auch sehr schön zu erleben, wie viel Einfluss ich auf Ledertypen in Polen habe! Ich wusste nicht, es gibt hier so viele Fetischkerle und für sie bin ich ein Augenöffner, eine Art „Lederführer“geworden.
Tyrone: Und dein Schlimmstes?
Mike: Mmh, ich wusste vorher nicht, wie viel Politik in der Lederwelt steckt! Man hat mit vielen Egos und Alphatieren zu tun, auch viel Neid und Missgunst. Ich war am Anfang vielleicht ein wenig naiv und hatte das alles gar nicht erwartet. Ich dachte, Männer sind Männer und dann hatte ich auf einmal mit Drama-Queens in Lederkluft zu tun! Ich wollte ihnen so oft in den Arsch treten!
Tyrone: Also, jetzt, da du es nicht mehr musst, wirst du in der Leather Community aktiv bleiben?
Mike: Fetisch ist in einem drin! Wenn man schon Teil der Community ist, besonders eine so kleine wie hier in Polen, kann man sich nicht wirklich entziehen. Ich werde mir eine Pause gönnen, aber ich möchte dabei sein und sehen, wie die Fetischwelt hier in Polen wächst. In letzter Zeit haben wir in unserem Verein viele Erneuerungen unternommen, die jetzt umgesetzt werden müssen. Für Mai planen wir schon unser allererstes ‚Fetish Weekend‘ in Warschau: Drei Tage Fetischpartys mit striktem Dresscode, Fotoausstellungen und andere Events. Ich hoffe, dort auch viele Besucher aus Deutschland zu treffen.
Tyrone: Du hast auch letztes Jahr eine ganze Menge umgesetzt, viel mehr als die meisten anderen europäischen Titelträger.
Mike: Ich glaube, wenn du etwas machen willst, musst du riesig anfangen und dann noch größer werden! Ich wusste am Anfang, ich hätte nur ein Jahr Zeit, etwas ins Leben zu rufen. Ich fing gleich mit dem „Leather Heart Project“ an, eine Website für Aufklärung, Thema HIV-Prävention und gegen Diskriminierung von Positiven. Es wurde so erfolgreich, dass sich daraus schnell ein Blog entwickelte, in dem ich von meinem Lederleben erzähle! Ich beschrieb die Events, die ich besuchte, und erzählte von Fetischbeziehungen. Daneben machte ich auch das „Leather Guide“ (Lederhandbuch), wo sich Ledermänner überall auf der ganzen Welt über die Geschichte und Traditionen der internationalen Lederszene informieren können. Einige Fans in Russland haben sogar manche Blogeinträge auf Russisch übersetzt und sie damit für viele andere Osteuropäer zugänglich gemacht. Ich habe auch von polnischen Fetischkünstlern T-Shirts entwerfen lassen, die verkauft wurden. Das Geld wurde hier einer HIV-Stiftung gespendet. Es war echt ein Verkaufsschlager! Außerdem war ich der erste Lederkerl, der mit der Lederfahne beim CSD in Warschau lief. Ich habe auch bei der Wahl Mr. Leather Europe in Amsterdam den zweiten Platz erreicht. Ja, ich hatte echt viel zu tun!
Tyrone: Viele Fetischvereine in Europa, wie zum Beispiel der BLF oder MSC London, sind mittlerweile über 40 Jahre alt. Dagegen ist der Verein in Polen, der SLP, erst 4 Jahre alt. Das, obwohl die politische Wende 25 Jahre zurückliegt. Warum habt ihr so lange gebraucht?
Mike: Wir haben hier einfach keine Ledertradition! Anders als in Westeuropa, wo es bereits in den 70ern Motorradclubs, Lederbars und –Clubs gab, haben wir keine Fetischgeschichte. Polen war damals noch grau und traurig, typisch kommunistisch. Man durfte nicht man selbst sein. Dazu kommt, dass wir sehr konservativ-katholisch geprägt sind. Ich freue mich, dass sich jetzt vieles schnell verändert.
Unser Verein wurde erst vor zwei Jahren offiziell gegründet. Man braucht immer jemanden, der damit anfängt, der auch Verantwortung übernimmt, seine Zeit und Geld opfert, um etwas Neues zu machen. In Polen lassen wir gern zu viel von Anderen machen, man macht selbst wenig ehrenamtlich. Daher war es gut, dass Przemek Starosta so stark war und sich durchsetzte. Bis vor einem Monat hat er hier alles geleitet.
Tyrone: In einem Land mit einer dann so kleinen Fetischszene, was hat dich an Leder angezogen?
Mike: Ich bin kein typischer Pole! Ich hatte das Glück, als Jugendlicher an einem Schüleraustauschprogramm teilzunehmen und ging in den USA zur Schule. Daher habe ich als junger Schwuler bereits in den 80ern und 90ern viel mehr erlebt, als hier sonst üblich ist. Ich arbeite auch seit 16 Jahren als Flugbegleiter und habe auch in London und Australien viele Jahre verbracht. Da ich immer viel verreist bin, war es mir einfach, in anderen Städten die Lederbars zu besuchen, was ich bereits mit 22 oder 23 schon machte. In ganz Polen gibt es immer noch heute keine wirklich echte Lederkneipe! Ich möchte eines Tages endlich eine eröffnen.
Ich liebe Leder, weil ich Männer liebe und ein Mann in Leder ist etwas Besonderes: männlich, stark, mächtig, dominant. Ich bin ein großer „Tom of Finland“ Fan, und schon als Kind träumte ich von großen Typen in engen Hosen, Chaps, Jocks und Stiefeln. Leder ist trotzdem das Zeichen einer Community, wo der Mensch zählt, egal wie alt er ist oder wie gut er aussieht.
Tyrone: Wie siehst du die Zukunft der Fetischszene in Osteuropa?
Mike: Das ist eine sehr schwierige Frage! Viele Leute denken an Osteuropa und glauben dabei, es wird hier alles neu. Da gegenüber bin ich persönlich sehr skeptisch. Viele hier verlassen das Land und ziehen nach Westeuropa, wo der Alltag leichter ist, weil man dort mehr Geld verdient und auch offener denkt. Überall finden sich Fetischtreffs leider eher online, was dazu führt, dass die Bars schließen und sogar die größten Ledervereine an Mitgliedern verlieren. Weil ihnen dann das Geld und die Manpower fehlen, wird es dann für die Vereine immer schwieriger, erfolgreiche Events zu organisieren. Es ist hier in Osteuropa nicht anders, und wenn man in Polen die Macht der katholischen Kirche dazu addiert, sieht es für die Zukunft nicht besonders blumig aus. Trotzdem gibt es immer wieder Leute, die alles geben, um die Unterschiede zwischen West und Ost zu verkleinern, aber es wird sehr lange dauern. Ich weiß nicht, wie es sich hier alles entwickeln wird.
Tyrone: Hat dich der Titel verändert?
Mike: Überhaupt nicht! Man braucht keinen Titel, um Dinge für andere zu machen. Da wir hier in Europa keine Richtlinien haben, was wir zu tun haben, tun viele Titelträger einfach gar nichts. Sie wollen sich immer nur schön vor eine Kamera stellen und auf jeder Party dabei sein und das wars. Ich bin sehr extrovertiert und daher immer jemand gewesen, der viel Aufmerksamkeit suchte *lacht*, aber ich benutzte meinen Titel, um etwas mehr für meine Projekte und Ziele rauszuschlagen! Die Leute haben einfach mehr Interesse, wenn du einen Titel hast und genau das habe ich für meine Projekte ausgenutzt. Das war eigentlich alles!
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