Mann des Monats: Sven

Leder, Leidenschaft und eine starke Community

Sven lebt seinen Lederfetisch mit Stolz – im Alltag, auf dem Motorrad oder bei Events wie dem CSD und Folsom. Im Interview spricht er offen über seinen Weg in die Szene, persönliche Highlights und warum echte Begegnungen für ihn das Wichtigste sind.
Dazu gibt’s starke Bilder, viele davon fotografiert von Enrico-Maxim – ästhetisch, persönlich, authentisch. Viel Spaß beim Lesen und Anschauen!

BOX: Erzähl uns ein bisschen was über dich: Wer bist du, was machst du im Alltag – und wo gehst du gerne Essen oder wo trifft man dich?

Sven lebt seinen Lederfetisch mit Stolz – im Alltag, auf dem Motorrad oder bei Events wie dem CSD und Folsom.

Sven: Joar… Bin Sven, 39 Jahre jung, in Potsdam geboren und lebe heute mit meinem Mann und unseren 2 Dackeln am Stadtrand von Berlin. Ich bin Gärtner und pflege einen berühmten Künstlergarten. In meiner Freizeit fahre ich Motorrad, reise viel mit meinem Mann, restauriere historische Eisenbahnwagen und treffe mich viel mit Freunden. Ich lebe und liebe den Lederfetisch jeden Tag, weil es für mich einfach dazu gehört, und in der Regel treffe ich mich einmal die Woche mit unseren „Jungs“ im Prinzknecht, einer Lederkneipe in Schöneberg, unser „Wohnzimmer“.

BOX: Wie hast du deinen Weg in die Leder- oder Fetischszene gefunden – war das eher Zufall, Neugier oder eine bewusste Suche?

Sven: Unterbewusst mag ich Leder glaube ich schon ziemlich lange, mein Vater war Motorradpolizist und zuhause hing immer seine grüne Kombi, die ich sehr faszinierend fand. Aber erst mit Ende 20 kam Fetisch in mein Leben. Ich fand Rubber immer sehr anziehend, diese zweite Haut in Schwarz, eng und glänzend schon sehr geil. Da ich niemanden hatte, der mich darin „einführt“, habe ich mir einen Shorty im Internet bestellt und los ging’s. Theoretisch * lach* weil ich nicht wusste, dass man das zum Anziehen einölen sollte und daher war es eher unangenehm. Naja also weiter belesen und dann passte es. Schnell wurde es der erste Ganzanzug und alles, was man noch braucht, um komplett in Gummi zu stecken. Aber immer alles allein und in den eigenen vier Wänden. Ich war zu diesem Zeitpunkt in einer Beziehung, aber mein Partner konnte damit nichts anfangen. Ein Arbeitskollege, hetero, war Lost Place Fotograf und ich fragte ihn, ob er mich nicht mal vor solch einer Kulisse fotografieren kann. Es war für uns beide das erste Mal, ich im Fetisch vor jemand anderem und er beim Fotografieren eines Fetischkerls. Da sind die ersten geilen Bilder von mir im Fetisch entstanden.

Anfang 2017 habe ich mir dann eine Honda Shadow, ein Motorrad in Schwarz und Chrom gekauft und ich wollte dazu unbedingt eine „ordentliche“ Lederhose haben, da mir Ästhetik schon wichtig ist. Also online eine gekauft, da ich zu schüchtern war, um nach Schöneberg in eines der Geschäfte zu fahren. Und es kam, wie es kommen musste: Hose zu eng und auch noch viel zu lang. Ich wusste ja nicht, dass die auf Maß dann gekürzt werden ;-). Die Kollegen schrieben mir dann, ich solle ins Geschäft nach Schöneberg kommen. Mit mega Herzklopfen bin ich da hin, habe die Hose in die richtige Größe getauscht und auf Länge kürzen lassen. War das alles aufregend. Und ich muss sagen, dass ich bis dahin noch keinen Fetischkerl aus der Szene kannte. Woher auch… Naja, um das ganze abzukürzen, bin ich heute voll integriert und habe da eine zweite Familie, die ich nicht missen möchte!

BOX: Was fasziniert dich besonders an Leder oder an deinem Fetisch – ist es eher das Gefühl, der Look oder die Community drum herum?

Sven: Leder ist heute mein Hauptfetisch, auch wenn ich Rubber mega gerne trage, aber Leder ist „alltagstauglicher“. Leder ist für mich etwas, das jeden Tag dazu gehört. Ich liebe es, es gibt mir Sicherheit, man sieht auch ganz gut darin aus *grins*. Spannend ist immer, was andere dann über einen denken, wenn man z.B. in Vollleder unterwegs ist, nicht selten höre ich, dass ich arrogant wirke, obwohl ich eher der Schüchterne bin. Aber ich fühle mich sehr wohl damit und bin gerne in der Community unterwegs. Mein schlechtes Englisch ist aber oft eine Barriere für mich bzw. andere. Aber ich bin bemüht.

BOX: Gibt es einen Moment, an den du dich besonders gern erinnerst, wo du das erste Mal so richtig gemerkt hast: „Hier bin ich genau richtig?“

Sven: Wie gesagt, ich bin anfangs sehr schüchtern gewesen und hatte das Glück, bei meinem ersten Fotoshooting für EasterBerlin mit Maxim bei 35 Grad im Schatten im Prinzknecht u.a. Jens, den ehemaligen Mister Leather Berlin, kennenzulernen und der hat mich ein wenig an die „Hand“ genommen. Leder ist nun mal teuer, also lieh er mir ein Outfit und wir sind zum Leathersocial gegangen. „Kleider machen Leute“ – alle waren supernett und ich habe an dem Abend Freunde fürs Leben kennengelernt. Damit war ich innerhalb kürzester Zeit angekommen!

BOX: Was bedeutet dir der Austausch mit anderen in der Szene – geht es dir eher um Begegnung, Ausdruck, Spiel oder alles zusammen?

Sven: Begegnung ist mir schon sehr wichtig. Freunde fürs Leben durch alle Schichten unserer Gesellschaft, die alle „ganz normal“ sind, wie du und ich von nebenan. Und wir alle tun keinem was. Weder weil wir schwul sind, noch, weil wir uns so kleiden! Ausdruck könnte man auch sagen. Mein tagesaktuelles Outfit sagt schon viel über meine „Laune“ an dem Tag aus *lach*. Und Spiel gibt’s bei mir nicht, da ich in einer monogamen Beziehung lebe und damit sehr glücklich bin! Ich habe das große Glück, dass mein Mann dieselben Fetische wie ich teilt. Das versteht nicht jeder und viele glauben, dass es sowas gar nicht gibt, aber wir sind sehr glücklich damit!

BOX: Wenn du dich für ein Lieblingsstück aus deiner Sammlung entscheiden müsstest – was wäre das und warum?

Sven: Das ist ganz einfach. Meine Lederfliege! Ich mag es nicht, wenn alle gleich aussehen, weil es der Dresscode so vorsieht, und eine Krawatte steht mir nicht. Also habe ich mir gleich von Anfang an eine Fliege besorgt und trage sie gerne und mit „Stolz“. Viele sprechen mich darauf an, weil sie es nice finden, und damit hebe ich mich etwas ab.

BOX: Wie wichtig ist dir der CSD – persönlich und vielleicht auch politisch?

Sven: Was nimmst du aus diesen Tagen für dich mit? Der CSD ist für mich als schwuler Mann wichtig, um Sichtbarkeit zu zeigen. Und das so wie ich bin, also gehe ich in Leder dort hin und nehme an der Demo teil. Leider ist es heute immer noch nicht für alle normal, dass es auch Menschen gibt, die anders lieben und leben und dafür muss man immer wieder auf die Straße gehen!

BOX: Folsom Berlin – Pflichttermin oder Vergnügen? Was macht diesen Event für dich besonders – und wie erlebst du die Atmosphäre dort?

Sven: Irgendwas dazwischen. Ich treffe viele Freunde aus allen Teilen der Welt zur Folsom und finde es wichtig, dass es diese Veranstaltung gibt, da jeder sein kann wie er will. Wir in Berlin haben ja das riesige „Privileg“, dass man jeden Tag des Jahres, wenn man will, in Fetisch ausgehen kann. Wobei ich das auch an jedem anderen Ort mache, z.B. im Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff.
Und die Atmosphäre ist toll, jeder wie er will, sich wohlfühlt und glücklich ist.

BOX: Hast du neben Leder und Fetisch andere Hobbys oder Leidenschaften, für die du brennst?

Sven: Ja, wie oben geschrieben Biken und Eisenbahn! Seitdem ich 17 Jahre bin, beschäftige ich mich mit dem Thema Museumseisenbahn bzw. Schmalspureisenbahn. Sechs Jahre war ich auch schon Vorsitzender eines Vereines, der solch eine Museumsbahn betreibt. Heute restauriere ich mit einem Kumpel über 100 Jahre alte Fahrzeuge, welche dann auf der Insel Rügen bei der dortigen Bahn zwischen Putbus und Göhren fahren. Das ist für mich Ausgleich und Passion zugleich und macht mich glücklich.

BOX: Was würdest du jemandem sagen, der neugierig auf die Szene ist, sich aber (noch) nicht traut, einzutauchen?

Sven: Komm vorbei, wir beißen nicht und sind ganz normale Menschen. Auch wenn ich im Vollleder vielleicht „böse“ aussehe, sprich mich einfach an. Ich habe schon mehrere neue Gesichter auf die „dunkle Seite“ geholt und die sind heute tolle Freunde und glücklich damit, Gleichgesinnte zu haben.

BOX: Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern gerne sagen oder mitteilen möchtest?

Sven: Der ein oder andere kennt mich, nicht persönlich, aber von den tollen Bildern, die Maxim – Enrico von mir macht. Wir sind ein tolles Team und ich bin sehr froh darüber, dass ich ihn in meinem Leben habe! Für mich hat Fetisch ja was mit Ästhetik zu tun und Enrico setzt das super um. Da ich keinen ästhetischen Fetischkalender kannte, habe ich mein Label VonPfingstberg gegründet und bringe seit 2018 jährlich einen limitierten Fetischkalender raus. Diesen kann man in ausgewählten Stores oder unter www.vonpfingstberg.com erwerben.