JV, Mr Rubber Spain 2017

JV war „Mr Rubber Spain 2017“ und erreichte bei Fetish Pride Antwerp den dritten Platz in der wiederaufgenommenen Wahl zum „Mr. Rubber Europe“. Hier redet der Gummi-Single und Wahl-Londoner aus Barcelona mit Tyrone Rontganger über die Vorzüge des englischen Klimas, die „European Rubber Alliance“, Stalker und Datenklau im Internet.

BOX: Hi JV. Na, warum lebt Mr. Rubber Spain 2017 in London?
JV: Als Teenager habe ich öfters Urlaub in London mit Freunden gemacht und mich hier immer wohlgefühlt. Mir gefallen der Regen und das kühle Klima – weil es so anders ist als in Spanien! Ich liebe diese Stadt und deren Menschen. London ist lebendig und auch derb, und dort lernt man jeden Tag neue Leute und Kulturen kennen, was mich persönlich viel weitergebracht hat. Neben meinem Job in einem Technologieunternehmen mache ich viele interessante Sachen, denn ich arbeite nebenbei als freiberuflicher Journalist und Fotograph, sogar unter anderem für die BBC. London bietet viele Chancen in der Medienbranche. Ich setze mich hier mit meinem Engagement bei „Prepster“ und auch gegen Alzheimer auch für die Community ein. Ich habe hier viel zu tun!

BOX: Hast du auch in London deine Vorliebe für Gummi entdeckt?
JV: Ich habe mich immer für glänzende Kleidung interessiert! Schon als Kind guckte ich auf der Straße den Radfahrern in ihren engen Lycra-Hosen hinterher, ohne diese Faszination überhaupt zu verstehen. Als ich dann viel später nach London zog, habe ich zum ersten Mal einen Fetischladen betreten und verbrachte da den ganzen Nachmittag in der Anprobe! Dieser eine Tag hat mein Leben verändert! Ich kaufte mir einen Ganzkörperanzug und ich kann dir echt nicht beschreiben, wie es für mich war, als ich ihn zum ersten Mal anzog! Ich habe heute immer noch dieses Gefühl, wenn ich Gummi anziehe, nur nicht so stark wie früher. Danach habe ich auch in Spanien Gummi getragen, aber nicht wirklich oft. In einem Vollgummioutfit ist es bei sehr warmem Wetter doof – das Wetter in England ist für Gummi viel besser geeignet. Beim World Pride in Madrid 2017 habe ich Gummi angehabt und es war mir bei 35° C – und das schon um 16 Uhr – echt unangenehm. In Spanien muss man mit seinen Gummioutfits auf den Abend warten, den erst ab 21 Uhr ist es kühl genug, deine Gummikleidung anzuziehen. In London kannst du es jederzeit anziehen, außer August! Denn dann ist es dort einen Monat endlich Sommer.

BOX: Indem du während deiner Amtszeit in London gelebt hast, wie nah standst du zur spanischen Gummicommunity?
JV: Auch zu der Zeit habe ich meine Familie in Barcelona regelmäßig besucht und die Gelegenheit immer benutzt, um den Events und Meetings in Spanien beizuwohnen. Ich war trotz der Entfernung auch sehr aktiv bei den „Barcelona Rubbermen“ und der “Mr Rubber Spain” Wahl.

BOX: Es ist mir in letzter Zeit aufgefallen, dass es zurzeit viele nationale Titelträger gibt, die in anderen Ländern wohnen. Woher kommt dieser Trend?
JV: Ich reise mittlerweile schon seit 18 Jahren hin und her zwischen London und Barcelona und bin mit dieser Lösung wirklich sehr glücklich. Ich kann so mein Leben gestalten, wie ich will und kenne bisher keine Diskriminierung wegen meiner Herkunft, trotz der alltäglichen Meldungen, dass Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit steigen. Aber egal ob man in einer ‚fremden‘ Stadt lebt oder da nur zu Besuch ist, wichtig ist nur, dass man andere Menschen respektiert. Natürlich gibt es überall Menschen, die Angst vor Ausländern haben, aber jüngere Menschen sind heutzutage viel offener und mobiler als vor einigen Jahren. Für sie ist es normal, mit Billigflügen die Welt zu erkunden und mit Leuten in weit entfernten Ländern über das Internet direkt zu kommunizieren. Davon profitieren wir alle.

BOX: Und profitierst auch du davon?
JV: Klar! Das ist einer der Gründe, warum ich jetzt die „European Rubber Alliance“ (ERA) etabliere. Denn egal wo Gummimänner leben, sind wir zusammen stark! Um zusammenzukommen, brauchen wir aber eine freundliche, inklusive Plattform, um die neuen und kleinen Vereine, Gruppen und Einzelpersonen zu verbinden und um uns gegenseitig auszutauschen. Dort kann man Anderen helfen und auch selber um Hilfe bitten, um die individuellen Gummi-Netzwerke international auszubauen und zu vergrößern. Aber in erster Linie geht die „ERA“ um dich selber, damit du als Gummikerl deine Horizonte erweitern kannst. Ich betrachte daher die Zukunft der Fetischcommunity sehr positiv, weil die Menschen insgesamt immer offener werden. Es sind immer weniger Fetischkerle bereit, ihre Fetische zu verstecken und deswegen wird es zunehmend wichtiger, dass wir uns gegenseitig unterstützen und neue Menschen in die Szene und unsere Community miteinbeziehen und begleiten.

BOX: Erzähl uns bitte etwas mehr von der „European Rubber Alliance“.
JV: Ja, sehr gern! Da ich glaube, dass Vereine mit zahlenden Mitgliedern der Vergangenheit angehören, möchte ich, dass die „ERA“ vorerst gratis bleibt, denn es geht mir in erster Linie um die Kommunikation. Ich will Gemeinsamkeiten finden und promoten, Brücken bauen. Wenn wir genug Interessenten haben, können wir dann mit den Vereinen arbeiten, um Events und Partys zu veranstalten. Für mehr Infos könnt ihr die Webseite www.rubberalliance.eu besuchen, wo man auch über die Emailadresse direkt mit mir in Kontakt treten kann. Ich werde auch in nächster Zeit eine Facebook-Gruppe mit Neuigkeiten und Updates machen. Ach, übrigens: Wenn sich ein BOX-Leser vielleicht der “ERA” zur Verfügung stellen will und kennt sich mit App-Entwicklung und -Design aus, kann er sich gerne bei mir melden!

BOX: Zurück zu deinem Leben in London: Im Ausland zu leben hat viele Vorteile, unter anderem wenn man seine Sexualität vielleicht vor seiner Familie verbergen will …
JV: Ich habe keine derartigen Geheimnisse vor meiner Familie! Sie wissen bereits über meine Sexualität und das hat mit meinem Leben in Großbritannien überhaupt gar nichts zu tun. Ich gehe auf Facebook und Instagram schon sehr offen damit um und habe bisher auch deswegen keine Probleme gehabt. Sogar meine Kollegen wissen alles, obwohl ich meine Arbeit von meinem Privatleben strikt trenne. Viele meiner Freunde, die mit Fetisch nichts am Hut haben, stellen mir oft Fragen oder bitten mich um Rat, denn – lassen wir uns ehrlich sein – hat jeder einen Fetisch, die eigenen Fantasien oder gewisse sexuelle Vorlieben. Das ist normal! Wenn ich über sowas mit meinen Freunden rede, höre ich immer wieder, wie sehr uns die Gesellschaft davon zurückhält, uns auszuleben und offen auszudrücken. Meine direkte Familie weiß auch von meiner Fetischseite, aber ich finde es absolut nicht nötig, jedem davon zu erzählen.

BOX: Du gehst damit offen um, aber trotzdem wissen wir nicht, wie du eigentlich heißt. Meinst du nicht, dass Titelträger – die Botschafter unserer Community – ihre richtigen Namen statt nur Pseudonyme benutzen sollten?
JV: Für mich ist es völlig verständlich, dass manche Titelträger Pseudonyme benutzen, denn es gibt eine Menge verrückte Menschen da draußen! Ich kenne Titelträger, die immer wieder von wildfremden Menschen mitten in der Nacht angerufen wurden und sogar die Polizei einschalten mussten. Ich persönlich glaube, dass sich keiner für meinen richtigen Namen interessiert; man kennt mich seit Jahren nur als JV. Es sind meine Initialen und gleichzeitig ist es mein Spitzname. Trotz des öffentlichen Interesses gibt es Titelträger, die wegen ihres Berufslebens nicht alles auf den Fahnenmast hissen wollen oder können. Für mich hat mein Fetisch gar keinen Platz in meiner Arbeitswelt und es bleibt nur meine Entscheidung, wie viel und wem ich von meinem Fetischleben preisgebe, denn es geht wirklich keinen etwas an. Wie man sich nennt, das ist nicht wichtig, nur unser Kampf für mehr Inklusion, Smart-Sex und Gleichheit. Man wird wegen seiner Handlungen beurteilt und nicht wegen des Namens.

BOX: Wir haben in letzter Zeit erlebt, wie empfindliche Daten von Sozialnetzwerken leicht geklaut oder sogar weiterverkauft werden können. Wird das dein öffentliches Auftreten irgendwie beeinflussen?
JV: Für die großen Firmen und die Politik sind die sozialen Netzwerke ein sehr wichtiges Werkzeug. Ich benutze nur Facebook und Instagram, aber ich habe weder Zeit noch Lust, ständig neue Pics hochzuladen und zu teilen! Ich weiß echt nicht, wo sich Andere dafür die Zeit nehmen, denn ich arbeite Vollzeit, habe Hobbys, freiberufliche Projekte und letztendlich auch ein Leben, das auch mal einfach privat bleiben soll! Ich finde es auch wichtig, dass man Relevantes postet, nicht nur gedankenloses Zeug, nur um sich zu präsentieren. Trotzdem finde ich es blöd, dass sich jetzt alle auf einmal wegen Facebook aufregen – was haben wir dann die ganze Zeit mit unseren Gratis-Profilen da erwartet? Aber, ich bleibe da optimistisch und enthusiastisch auf die Zukunft.

BOX: In der diesjährigen „Mr. Rubber Europe“ Wahl hast du den 3. Platz belegt. Gratulation! Ist das für dich ein Erfolg oder eine Enttäuschung?
JV: Man sagt, dass jeder Wahlkandidat auch automatisch ein Sieger ist, und dem stimme ich zu! Es ist für sich eine unvergessliche Erfahrung, an so einer fantastischen und internationalen Wahl teilzunehmen. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich mein Vorhaben mit „ERA“ auf einer pan-europäischen Bühne vor einem großen Publikum vortragen durfte. Ich habe da noch eine Menge zu tun, und ich erwarte nicht, dass es einfach sein wird, aber ich bemühe mich viel und bin für jedes Feedback wirklich sehr dankbar. Nach der Wahl habe ich ein paar Wochen Ruhe gebraucht, wo ich dann Zeit hatte, meine nächsten Schritte zu planen.

BOX: Warum hast du dich damals überhaupt zur Wahl in Spanien gemeldet?
JV: Naja, viele meinen, dass diese Mister-Wahlen nicht so ernst genommen werden dürfen und so dachte ich damals auch! Ich war früher den Mistern gegenüber selber sehr kritisch. Ich dachte, ja, das ist ja ein Haufen Männer, die nur Beachtung und Aufmerksamkeit brauchen. Erst beim zweiten Blick ist es mir dann aufgefallen, wie wichtig sie für unsere Community eigentlich sind. Sie unterstützen Wohltätigkeitsarbeit, besuchen Events, machen Fundraising, ermutigen Fetisch-Newcomer, bringen unsere verschiedenen Communitys zusammen und, nicht weniger wichtig, machen unsere Fetische allgemein sichtbarer. Als ich mich dann entschied, dass ich auch dabei sein wollte, wusste ich nicht, was mich erwartete, aber da ich mich für schwule Rechte immer eingesetzt habe, war das für mich als geouteter Fetischist die Chance, mich auch persönlich weiterzubringen.

BOX: Was war deine schönste Erfahrung während deines Titeljahres?
JV: Wahrscheinlich war es die Gelegenheit, so viele intelligente und echt wunderbare Menschen von überall auf der Welt kennenzulernen und dadurch so viele neue Freunde und Brüder zu finden. Es war auch toll, die spanische Gummicommunity vertreten zu dürfen, besonders beim World Pride 2017 in Madrid. Trotzdem waren da auch manche Herausforderungen! Mir hat es nicht gefallen, wie manche Fetischkerle einfach alles als selbstverständlich sehen, ohne sich überhaupt je Gedanken zu machen, woher und wie unsere Freiheiten zustande gekommen sind! Aber zusammengefasst würde ich sagen, dass mein Titeljahr mein Leben sehr positiv verändert hat. Unter anderem, weil ich durch den Titel die Möglichkeit hatte, vielen Leuten zuzuhören und etwas von ihnen zu lernen.

BOX: Wie ging dein Partner mit dem Ganzen um?
JV: Ich bin seit drei Jahren Single. In dieser Zeit habe ich gelernt, mit mir selbst gut auszukommen, indem ich die Erinnerungen an schlechte Beziehungen hinter mir lasse. Mittlerweile wäre ich offen für was Neues, und ein neuer Freund müsste schon meine Leidenschaft für Fetisch teilen. Es muss nicht unbedingt Gummi oder Bondage sein, solange wir uns gemeinsam Zeit für unsere Fetische nehmen. Ich finde es blöd, wenn man manchmal auf den schwulen Portalen Kerle kennenlernt, die meinen, ausschließlich Fetisch zu tragen und ganzjährig einen Keuschheitsgürtel zu tragen! Für alles gibt es eine Zeit und mein Partner würde sowas verstehen müssen. Im Endeffekt nennt man das „Respekt füreinander“ und ohne das als Grundlage geht sowieso gar nichts!

BOX: Thanks for the interview, JV.

Fact File

Beruf: Projektmanager für interaktive digitale Inhalte
Hobbies: Radfahren, Klavier, Filmmusik komponieren, Engineering, Theateraufführungen, Musikshows
Horoskop: Jungfrau