Jorge & Joseph aus Spanien

Jorge Doal gewann am 25. November 2017 den Titel „Mr. Rubber Spain 2018“, nachdem er sich gegen drei weitere Kandidaten in Barcelona durchsetzen konnte. Knapp drei Wochen später gewann Joseph Rider aus sieben Kandidaten in Madrid den Titel „Mr. Leather Spain 2018“. Hier sprechen die beiden spanischen Titelträger mit Tyrone Rontganger.

BOX: Hola, Jungs! Wie habt ihr Folsom Europe in Berlin gefunden?


Joseph: Naja, Folsom ist zweifelsohne das wichtigste Fetischevent in Europa. Und es wird von Jahr zu Jahr immer beliebter und größer! Das ist etwas Fantastisches! Alles, was ich dort erlebte, war etwas Besonderes! Ich finde die Kameradschaft unter den Lederkerlen dort am geilsten und das hat mich am meisten beeindruckt. Alle waren freundlich und behandelten einander mit Respekt. Als „Mr. Leather Spain“ nehme ich die Verantwortung sehr ernst, die Leder-Community Spaniens international zu vertreten und bei so einem Event wie Folsom ist diese Aufgabe echt interessant und macht mir eine Menge Spaß.
Jorge: Oh, es hat mir dieses Jahr auch eine Menge Spaß gemacht! Besonders als ich mit der Schärpe unterwegs war – das war wirklich etwas Einzigartiges! Ich habe dort alte Freunde getroffen und viele ganz tolle Kerle persönlich kennengelernt, mit denen ich bis dahin nur online gechattet hatte. Alle Leute waren freundlich und hilfsbereit. Ich habe auch ein paar richtig tolle Erfahrungen gemacht – auch wenn ich hier natürlich nicht alles preisgeben möchte! Ganz toll war es aber, als mich ein Prominenter in unserer Community beiseite rief, um mir zu sagen, dass er meinem Online-Projekt gegen Chemsex folgt und wie stolz er auf mich ist. Das hat mich sehr überrascht und beeindruckt. Es hat mich so berührt, dass ich sogar gegen die Tränen kämpfen musste. Es ist echt schön, wenn man wegen seiner Bemühungen anerkannt wird.

BOX: Erzähl uns bitte etwas mehr von diesem Projekt, Jorge?


Jorge: Ich habe mit dem Chemsex-Programm der nicht-staatlichen „Stop Sida“ Organisation (www.chemsex.info) zusammengearbeitet, das darauf abzielt, Informationen über den Konsum von Drogen zu geben, die mit sexuellem Verhalten in Verbindung stehen. Und zwar nämlich mit den Wirkungen und Wechselwirkungen von verschiedenen Substanzen. Ich glaube, die Community müsste dabei gut aufgeklärt werden. Wir werden von einem Team von Psychologen und Sozialarbeitern unterstützt. Wir sind da, um denen zu helfen, die Probleme mit ihrem Sexualverhalten und dem Drogenkonsum haben. Wir wollen ihnen bei der Festlegung ihrer persönlichen Ziele helfen – und dann natürlich sie begleiten, damit sie diese Ziele erreichen.
Um Mittel für den Fortbestand des Projekts zu sammeln, habe ich bereits mehrere Gummi-Veranstaltungen in Spanien organisiert. Wir erhalten keine Staatsmittel und arbeiten alle freiwillig. Abgesehen davon habe ich mich natürlich auch an der Organisation und Promotion unseres größten Events im Verein beteiligt – der jährlichen Veranstaltung „Barcelona Rubber Weekend“. Es wird dieses Jahr größer und besser als je zuvor und deshalb freuen wir uns sehr, Fetischgäste aus zahlreichen Ländern begrüßen zu dürfen! Natürlich auch hoffentlich aus Deutschland.

BOX: Und was sind deine Projekte, Joseph?


Joseph: Unser Titel “Mr. Leather Spain“ ist erst drei Jahre alt – bisher hat es nur vier „Mr. Leather Spains“ gegeben und daher haben wir leider noch keine lange institutionelle Tradition bei der Repräsentation unserer Community. Aus diesem Grund habe ich dazu eine andere Geschichte als Jorge! Für mich gehören die Sichtbarkeit unserer Ledercommunity, die Weiterentwicklung der sozialen Inklusion, Respekt der persönlichen Rechte und die Promotion von Community-Aktivitäten zu meinen Hauptzielen als Titelträger. Als Rechtsanwalt habe ich auch einzelne Vereine mit Rechtsberatung unterstützt. Das wissen nicht viele, aber das ist bei den Neugründungen zum Beispiel manchmal extrem wichtig.

BOX: Was gibt es Neues aus der spanischen Fetischcommunity?


Jorge: Einfach alles! Die ganze Fetischszene – also, mit Leder und Gummi – ist noch sehr neu hier in Spanien. Das älteste Fetischevent des Landes findet vom 29. November bis 2. Dezember 2018 erst zum fünften Mal in Barcelona statt: Das Barcelona Rubber Weekend, wo unsere Titelträger jährlich gewählt werden. Aber in den letzten paar Jahren sind mehrere neue Vereine und Communitys überall in Spanien entstanden, die vielen Leuten die Chance geben, sich neu zu entdecken und definieren. Das ist sehr positiv, denn diese neuen Vereine unterscheiden sich je nach Fetisch, was vielen Spaniern jetzt ermöglicht, eine Gruppe zu finden, wo man gut hineinpasst und womit sich identifizieren kann.


Joseph: Da stimme ich dem Jorge zu! Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist unsere Community in Spanien noch relativ neu. Man darf da aber nicht vergessen, dass bis zu den politischen Reformen in den Jahren 1977 und 1978 wir hier in Spanien keine richtigen Bürgerrechte oder Anspruch auf Gleichberechtigung hatten. Erst danach und mit der Demokratie haben wir die Möglichkeit bekommen, uns überhaupt persönlich entfalten und auch entwickeln zu dürfen. Solche Prozesse brauchen Zeit! In den letzten Jahren waren diese Entwicklungen wirklich exponentiell und wir haben hier viel geschafft. Der Titel „Mr. Leather Spain“ hat der Ledercommunity zum Beispiel ein Gesicht gegeben, das uns hier zu Hause und im Ausland vertritt. Unsere Fetischevents bringen die Menschen zusammen und fördern Beziehungen untereinander, die wiederum dazu beitragen, dass sich hier viele weitere Communitys bilden. Das alles bringt uns in großen Schritten voran.

BOX: Aber können auch manchmal zu viele Köche den Brei verderben?


Joseph: Ich finde es toll, dass die Community in Spanien so gut wächst, dass diese neuen Vereine überhaupt entstehen können. Spanien ist ein großes Land mit vielen diversen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Unterschieden. Die neuen Vereine geben daher einer ganz breiten Palette von verschiedenen Menschen einen Ort, wo sie ihren Fetischen freien Lauf lassen dürfen. Die meisten neuen Vereine sind außerdem gemeinnützig und spezialisieren sich auf nur einen Fetisch. In meinem Verein, zum Beispiel, sind wir ausschließlich Ledermänner. Trotzdem verstärkt jeder einziger unsere Community als Ganzes.
Jorge: Wenn neue Vereine oder Gruppen entstehen, müssen sie ihre Plätze in der Community finden und einnehmen. Letztendlich ist es aber etwas Positives, weil jede Gruppe einen eigenen Charakter hat und ich finde es super, wenn sich Menschen genau die Gruppe aussuchen können, die ihnen am besten passt und womit sie sich identifizieren kann. Wir alle in der Fetischcommunity profitieren davon, wenn verschiedene Gruppen miteinander kollaborieren und zusammenarbeiten. Ich finde die neuen Synergien, die dabei entstehen, einfach großartig.

BOX: Wir hatten hier in Deutschland einen ganz tollen Sommer! Es war eine sehr lange Zeit warm und sonnig, aber das ist nicht so einfach, wenn man seinen Fetisch tragen möchte …


Jorge: Ja, damit kennen wir uns in Spanien sehr gut aus! Es ist schwierig, Gummi im Sommer zu tragen, aber wichtig ist, dass man „full coverage“, also Gummi vom Kopf bis Fuß, vermeidet – es hilft enorm, wenn man etwas Haut zeigt. Außerdem sieht es gut aus! Sonst muss man sich immer in der Nähe von der Klimaanlage aufhalten. Und natürlich viel trinken! Besonders im Sonnenschein darf man nicht vergessen, viel Wasser zu trinken, auch wenn man keinen Durst hat.
Joseph: Es gibt so viele Möglichkeiten, Fetisch im heißen Wetter zu tragen. Zum Beispiel einfach etwas weniger tragen! Ein Lederharness und ein Lederjock sind super und auch sexy in den heißen Temperaturen! Ich glaube aber, ein echter Ledermann zieht seine Uniform nicht wegen der Hitze aus. Leder ist eine Identität und verbindet uns miteinander, egal zu welcher Jahreszeit. Als ich im Juni in Frankreich zur Wahl des neuen „Mr. Leather France“ war, war es in Paris heißer als in Madrid und trotzdem trugen alle Kerle dort Leder! Warum nicht? Aber in der Regel organisieren wir hier keine Events während des Sommers, denn es ist doch meistens zu unangenehm.

BOX: Viele Deutsche denken an Spanien und kommen nur auf “siesta, fiesta, olé-olé” und Strandurlaub! Wie wollt ihr Spanien interessanter für Fetischurlauber machen?


Jorge: Spanien hat unheimlich viel im Angebot! In Barcelona läuft unser „Barcelona Rubberman Weekend” dieses Jahr vom 29. November bis zum 2. Dezember, denn genau um diese Jahreszeit denkt kaum einer an den Strand. Dann kann man sich leicht auf etwas Anderes fokussieren. Es mag zu der Zeit in Deutschland kalt und regnerisch sein, aber bei uns ist die Temperatur für die Fetischklamotten genau richtig.
Joseph: Siesta, fiesta? Das ist wirklich alles nur Klischee! Wir haben hier in Spanien ganz viel mehr anzubieten als nur Sonne und Strand! Aber du hast damit trotzdem recht – die Meisten Besucher nach Spanien kommen in erster Linie wegen des Klimas hierher. Und das schöne Wetter ist auch für unsere Events sehr wichtig! Deswegen ist die Maspalomas Fetish Week jedes Jahr im Oktober, zum Beispiel, immer ein großer Erfolg, weil man dort auf den Kanaren das schöne Wetter mit einem großen Fetischevent verbinden kann. Bei euch zu der Jahreszeit bleibt man eher schön zu Hause! Dasselbe gilt für Sleazy Madrid, das jetzt im 10. Jahr läuft, und auch beim Wintertreff vom Verein „LFSpain“, wo unser Mister gewählt wird. Sie sind alle ganz tolle Events für Besucher aus dem Ausland.

BOX: Was tragt ihr denn am liebsten?


Joseph: Ich trage sehr oft Leder und weiß schon, dass mich viele Menschen in meiner Umgebung damit identifizieren, aber ich liebe vor allem meine hohen Reitstiefel! Für mich gehören zu einer Uniform auch Stiefel. Trotzdem besitze ich keine Stiefel aus der Fetischszene – sie sind alle Reitstiefel für das Dressurreiten und werden für mich speziell gefertigt.
Jorge: Mein Lieblingsoutfit ist mein Gummibody, den ich mir am Anfang meines Titeljahres in den Farben der spanischen Fahne machen ließ. In der Tat hat es mir Dimitri, Mr. Rubber Russia 2017 für mich gemacht und es ist einzigartig. Er ist wirklich ein Genie! Ich habe ihm ein paar Entwürfe gegeben und er hat es genau richtig gemacht. Wenn ich es trage – besonders wegen der Farben rot und gelb – falle ich immer auf!

BOX: Und wie seid ihr überhaupt zum Fetisch gekommen?
Joseph: Meine Familie hat eine lange militärische Tradition und die hat meinen Geschmack definitiv beeinflusst. Schon als Kind stand ich auf Uniformen! Ich bin zwar Rechtsanwalt, aber ich reite sehr gerne und trage auch sehr gerne Leder. Mittlerweile wissen das sogar meine Kollegen!
Jorge: Ich habe vor ein paar Jahren einen Freund in Manchester besucht. Es war während der Manchester Gummi-Woche und er hat mich dazu ermutigt, mein Lederoufit gegen ein Gummioutfit auszutauschen. Ich hatte zu der Zeit noch kein Gummi und musste ein Outfit von ihm tragen, sonst wäre ich bei einem der Events gar nicht reingekommen. Es fühlte sich nicht nur geil an – die Gummicommunity dort hat mir das Gefühl gegeben, wirklich willkommen zu sein. Und ich fühlte mich dabei nicht nur richtig gut aufgehoben, sondern auch mega-geil! Danach konnte ich einfach nicht aufhören, an den Sinneseindruck zu denken, den mir das Gummi verliehen hatte. Es hat nicht lange gedauert, bis ich dann immer aktiver in der Gummicommunity wurde.

BOX: Was denken eure Partner von euren Titeln?
Joseph: Mein Partner ist sehr stolz auf das, was ich mit dem Titel „Mr. Leather Spain“ gemacht habe und die Werte, die wir beide damit vertreten. Das alles wäre nicht ohne ihn möglich gewesen. Er ist Teil dieser Reise und der beste Freund, den ich mir hätte wünschen können. Ich hoffe, dass er auch eines Tages diesen Titel tragen wird.
Jorge: Meine letzte Beziehung endete vor fast zwei Jahren. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich jetzt endlich auch als Single glücklich bin. Natürlich wäre es schön, mein Leben mit einem besonderen Menschen zu teilen, aber ich denke, ich muss vielleicht noch ein wenig mehr an mir selber arbeiten. Ich muss auch wieder lernen, meinen Gefühlen zu vertrauen. Man kann nur so viele Herzschmerzen im Laufe des Lebens ertragen, und ich kann es immer noch nicht wagen, das nächste Leid zu riskieren. Natürlich hätte ich aber gerne einen, der einen ähnlichen Geschmack für Fetisch hat. Was aber den Rest betrifft, habe ich wirklich kein festgefahrenes Beuteraster.

BOX: Danke, Jungs, für dieses Interview. Wie ist deine Botschaft für die deutschsprachige Leather-Community?


Jorge: Meine Botschaft ist ganz einfach: Ich möchte unsere Community dazu ermutigen, öfters zusammenzukommen und die Themen anzusprechen, die uns eigentlich manchmal trennen. Wir als Fetischcommunity sind bereits eine Minderheit innerhalb der großen LGBT-Community, also sollten wir alle mehr versuchen, einen Weg zu finden, um unsere Unterschiede zu überbrücken und mit unseren Gleichgestellten empathisch zu sein. Wenn wir das hinkriegen, können wir dem Rest der Gesellschaft zeigen, dass große Dinge doch erreicht werden können! Und wenn wir dann unsere Anstrengungen bündeln, können wir Themen ansprechen, die uns alle betreffen. Es sollte nicht darum gehen, wer die größte Party oder das beste Event organisiert. Das sollten schöne sekundäre Endpunkte sein. Der Fokus sollte darauf liegen, dass wir zusammenstehen und versuchen, unsere Welt ein wenig besser zu machen. Und ja: Es ist machbar, auch in unserer geilen Fetischkleidung!
Joseph: Ich hoffe, ihr werdet in Deutschland weiterhin so bleiben! Ihr habt dort ganz tolle Events, wie Folsom zum Beispiel, und diese Events tragen dazu bei, dass unsere Community immer mehr von der Allgemeinheit als ‚normal‘ betrachtet wird. Außerdem, Tyrone, finde ich toll, was du dort machst! Ihr seid alle ein großes Vorbild für uns. Ihr habt mit uns in Spanien einen guten Freund und ihr seid bei uns und unseren Events immer willkommen.

Fact File

Name: Jorge Doal, Mr. Rubber Spain 2018
Alter: 40
Beruf: Internationale Projektmanager
Hobbys: Reisen, Geschichte, Barockmusik, Strand, Sprachen
Sternzeichen: Stier

Name: Joseph Rider, Mr. Leather Spain 2018
Alter: 42
Beruf: Rechtsanwalt
Hobbys: Pferdereiten
Sternzeichen: Löwe