In insgesamt 25 Ausgaben hat uns unser Kolumnist Thorsten, Mr. Leather Europe 2015, über seine Erfahrungen sowie zu Veranstaltungen der europäischen Leder- und Fetisch-Community informiert und einen vielseitigen Einblick in das Titelträgerdasein gewährt. Thorsten wird sich künftig neuen Projekten zuwenden. Wir bedanken uns an dieser Stelle für seine ehrenamtliche Tätigkeit für unser Magazin. Zusammenfassend zieht Thorsten in seiner vorerst letzten Kolumne eine Bilanz, u.a. zu Titeln und Mister:
Mit meinen Kolumnen in den letzten zwei Jahren hatte ich die Möglichkeit, euch mit Text und Bild einen Eindruck der Themen Fetischismus, Mister-Wahlen, meine Reisen, Trends und Entwicklungen in der Fetischszene sowie unsere Leder- und Fetisch-Geschichte zu verschaffen. Die Sichtweise und Erfahrung als amtierender bzw. ehemaliger Titelträger waren mir von Nutzen, um meine jeweiligen Beobachtungen aufzubereiten und für euch zusammenzuschreiben. Ich hoffe, ich konnte zum Nachdenken anregen und motivieren, in Fetisch auszugehen statt sich zu verstecken, ein starker Bestandteil unserer Community zu sein und Einheit und Zusammengehörigkeit zu beweisen, Bars und Events mit eurer Anwesenheit zu unterstützen, tolerant und mit Respekt gegenüber Anderssein aufzutreten sowie Gesicht für unsere Gemeinschaft zu zeigen. Außerdem war es mir ein Anliegen, über die Ereignisse in anderen Ländern umfangreich zu informieren.
Meinen Beobachtungen nach zu urteilen hat sich die Mister-Landschaft in den letzten zwei Jahren sichtlich verändert. Zehn zusätzliche Leather/Rubber/Puppy/Bear-Titel sind in Europa geschaffen worden, so manchem Mister wurde der Titel vorzeitig aberkannt. Mir scheint, dass wir an US-amerikanische Maßstäbe anknüpfen, wo jede Bar und jeder Verband einen eigenen Mister wählt. Einerseits hält der Kommerzgedanke bei uns Einzug. Andere Gründe für die Vielzahl neuer Titel sind Abspaltungen von Vereinen, Streitereien, Neugründungen und in mancher Hinsicht leider ein vermehrtes Konkurrenzdenken, welches für die Community absolut unnötig ist und auf selbstsüchtigem Denken basiert. Auffällig ist, wie sich manche Vereine derzeit für mich offensichtlich durch optisch noch ansprechendere Kandidaten gegenseitig auszuspielen versuchen, sei es, um einen Titel attraktiver zu machen oder mehr Besucher für Wahlen anzuziehen. Pornodarsteller werden mobilisiert, durchtrainierte Männer, deren einzige Fetischerfahrung Harnessund Jockstrap sind, treten als Kandidaten an. In solchen Fällen frage ich mich: Sind das die künftigen Repräsentanten unserer Fetisch-Community, die sich für unsere Belange einsetzen und die notwendige Zusammengehörigkeit fördern? Oder sind sie doch eher egoistische Fakes, die als Spielball eingesetzt werden und für Verwirrung sorgen? Zweit- oder drittplatzierte Kandidaten, die aktiver und präsenter sind als die Gewinner selbst, stützen meine Vermutung. Die Veranstalter der Wahlen mögen sich über das Motto „Qualität statt Quantität“ Gedanken machen und hinterfragen, ob ein dritter oder gar vierter Titelträger in einem Land wirklich notwendig ist.
Zugegeben, als Titelträger befriedigt man gewissermaßen auch einen Ego-Trip, fördert jedoch gleichzeitig sein Selbstbewusstsein und seine Motivation, sich öffentlich für die Fetisch-Szene einzusetzen. Nichtsdestotrotz empfehle ich jedem Mister, bescheiden, zugänglich und freundlich zu bleiben und für seine Community da zu sein. Ein Titel bringt die Möglichkeit mit sich, eine Botschaft effektiv zu verbreiten und diese als Vorbild auch zu leben. Denn nur gut gemeinte Ratschläge oder Belehrungen helfen nicht, Botschaften und Werte müssen vorgelebt und verkörpert werden. Jeder Gewählte agiert nach seinen finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten, abhängig von den beruflichen Voraussetzungen. Ehemalige Titelträger mit ihren Nachfolgern zu vergleichen macht keinen Sinn, dagegen spricht allein schon die Vielfalt der Menschen. Neue Mister mögen sich zwar an ihren Vorgängern orientieren, bringen aber meist erfreulicherweise frischen Wind, Ideen und Veränderungen mit sich. Im schlimmsten und zum Glück seltensten Fall verlagern sie nach der Wahl ihr persönliches Interesse und verschwinden von der Bildfläche.
Das Interesse an Mistern fällt proportional zur ansteigenden Vielzahl der Titel. Zu diesem inflationären Zuwachs an Titelträgern dringt vermehrt Kritik durch, dass Mister unter sich bleiben oder ihnen zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ich konnte beobachten, wie sich amtierende Schärpenträger bei Wahlen auf der Bühne tummeln, so dass die eigentlichen Kandidaten selbst keinen Platz mehr hatten. Der eine oder andere in unserer Community fühlt sich zurückgedrängt oder vernachlässigt und erachtet Titel und Schärpen als sinnbefreit. Um eine Leitfigur zu sein, bedarf es keines Titels, und ein Titel macht noch niemanden zur Leitfigur. Wer ist denn die Community, für welche die Titelträger agieren? Jeder von uns, und jeder von uns macht die Gesamtheit aus. Ich kenne viele aktive Mitglieder unserer Fetisch-Szene, die sich immer wieder aufs Neue mit Ideen und Aktionen einbringen und so unser Miteinander bereichern.
Mit meinem Appell #dubistcommunity bitte ich euch darum, zusammenzuhalten und euch einzubringen. Damit verabschiede ich mich, bedanke mich für das Lesen meiner Kolumne und die zahlreichen positiven Zuschriften, die mich im Laufe der Zeit erreicht haben. Danke für eure Aufmerksamkeit und die Zeit, die ihr mir und meinen Gedanken gewidmet habt. Wir sehen uns.