Der Bart bleibt (dran) !

Titelbild Bartmann
Wer könnte besser als Symbol des Mannes mit Bart herhalten, als der Weihnachtsmann. Doch spätestens, wenn Santa Claus uns überall entgegensieht, beginnen sich Fashionblogs, Gesellschafts- kolumnen großer Blätter oder Trendmagazine wieder mit einer Frage zu beschäftigen:
Sind Bärte immer noch sexy? Haben wir den Höhepunkt des Barttrends endlich erreicht oder gar überschritten?

Seit vor rund 20 Jahren der Bart als Hipster-Look wieder tragbar wurde, vergeht nahezu kein Jahr, im dem die Trendmagazine und die Kosmetikindustrie ihm den Tod im kommenden Jahr vorhersagen. Auch wenn die Vorhersage, die Gesichtsbehaarung würde so schnell verblassen, wie sie aufgekommen ist, verschwunden ist. Einige Schreiber*innen müssen zähneknirschend konstatieren: „Ein Trend, der nie enden wird“.

Schon vor einigen Jahre sagte Mattia Soti, Stylist in einem der führenden Barbershops in Melbourne, einer Kapitale des Bartwuchses: „Ihr Stil ändert sich, aber sie werden so schnell nicht verschwinden.“ Und so prägen weiterhin bärtige Kerle die Modeseiten von Nobelmarken, Werbeplakate oder Werbespots und die Straßen.

Immer noch rätselt man darüber, ja psychologisiert man, wie es zu diesem Trend kam?

Verbreitete doch zu Beginn der 2000er der, von Medien, Fashion- und Kosmetikindustrie allseits gehypte und allgegenwärtige metrosexuelle Mann die scheinbare Gewissheit, dass der Mann mit Bart und Haaren das „Ende der Geschichte“ erreicht habe.

Seither kursieren viele Theorien. Einige Forscher sehen die globalen Krisen als Ursache. Sie haben die Theorie aufgestellt, dass Männer ihre Bärte sprießen ließen, um sich auf dem unsicheren Arbeitsmarkt einen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern zu verschaffen.

In einer Studie mit dem Titel „Beards and the big city“ fanden Forscher heraus, dass Bärte in großen Städten weitaus häufiger vorkommen, also dort, wo es mehr Konkurrenz um Jobs und Partner gibt.“Ein Bart ist ein sozialer Verstärker der Männlichkeit im Kontext einer stark bevölkerten Umgebung, in der man versucht, voranzukommen“, erklärt Barnaby Dixson, einer der Autoren der Studie an der University of Queensland in Australien.

Forscher der Universität Schlesien in Polen und der Universität Padua in Italien befragten 400 Männer im Alter zwischen 18 und 40 Jahren, die eine Reihe von Gesichtsbehaarungen trugen, zu ihren „sozialen Beweggründen“. Die Forscher fanden heraus, dass Männer mit mehr Gesichtsbehaarung eher Wert darauflegten, eine langfristige Partnerschaft zu führen und sich um die Familie zu kümmern, als glatt rasierte Männer. Dies veranlasste die Autoren der Studie zu dem Schluss: „[Männer mit Bärten] zeigen wahrscheinlich die Art von prosozialem ‚Alpha‘-Verhalten, die dazu beiträgt, dass Frauen sich in sie verlieben und andere Männer ihnen vertrauen, oder sie fürchten.“ So manche Feministen würden dieser Variante in der heterosexuellen Welt wohl eher „toxische Männlichkeit“ unterstellen.

 

Santa Claus: der ultimative Bartmann
Santa Claus: der Inbegriff des Mannes mit Bart – Bild: KI by BOX

Andere „Experten“ oder Kommentatoren, so etwa in der Neuen Züricher, behaupteten dagegen, dass sich darin eine Anpassung an die „Islamisierung unserer westlichen Gesellschaft“ breitmache, hervorgerufen durch die vielen Einwanderer aus den Nahen Osten.

Wieder andere „Experten“ machten das genaue politische Gegenteil verantwortlich: Sie verorteten – angesichts einiger rechter „Hipster Nazis“ – im Barttrend eine Rückbesinnung auf überkommene, ja „faschistische“ Männlichkeitsideale. War nicht jener Trump Fan, der zum Symbol des „Sturms auf das US Capitol“ am 6. Januar 2020 wurde, der bärtige QAnon Shaman Jake Angeli?

Aber wie geht das zusammen mit dem tatsächlichen faschistischen Männlichkeitsideal der Nazizeit, wie man es beim Haus- und Hof-Skulpturengestalter Arnold Breker bewundern kann: der glattrasierte, haarlose Mann. Und sieht man sich die Vertreter rechter Gruppen und ihre Ideologen an, dann hat sich daran nicht viel geändert.

Auch die Aussage, dass der Barttrend ein Aufstand gegen schillernde Identitäten wäre – wie sie z.B. Intersex und Transmenschen darstellten – ist fragwürdig. Zeigen sich doch ausgerechnet viele Trans-Männer mit sprießendem Bartwuchs und üppiger Körperbehaarung als besonders sexy.

Umfragen unter jungen Männern mit Bartwuchs widersprechen ebenfalls der Ansicht, dass Bartträger allgemein „konservativer“ sind: Nach diesen Umfragen neigen Bartträger stärker liberalen und freiheitlichen Ansichten zu, sind eher weniger konservativ, homophob und anti-feministisch eingestellt als ihre bartlosen Zeitgenossen.

Aber vielleicht ist es bei vielen Männern auch einfach eine Rebellion gegen das tägliche Rasieren und die Akzeptanz des Bartes als Merkmal des eigenen Körpers.

In der ersten Phase waren die Bärte vor allem groß und eindeutig Statussymbol. „Die Jungs dachten, je größer dein Bart ist, desto männlicher, attraktiver bist du“, sagt dazu Mattia Soti. „Erst als wir anfingen, Bärte zu formen, um die Gesichtszüge von Männern zu betonen, wurden sie wirklich zur Mode.“

Seitdem haben die Bart-Stile viele Veränderungen durchlaufen – es gab den „Holzfäller“, den Schnurrbart, den Bart der Stars „Hollywoodian“ und sogar mit Glitzer verzauberte Bärte.

Superhelden mit Gesichtsbehaarung sind keine Seltenheit mehr und Leute wie Jake Gyllenhaal und Ryan Gosling erschienen zur Oskar-Nominierung mit prächtigem Bartwuchs.

Tatsächlich hält sich die Popularität des Bartes hartnäckig. Männer empfinden ihn als sexy und stilvoll, als Garantie für Komplimente. Und ein auch für heterosexuelle Männer geeignetes Mittel, potenzielle Partner anzusprechen. Denn die klassische Aussage, dass Frauen keine Männer mit Gesichtsbehaarung mögen, dürfte inzwischen widerlegt sein.

Ausgerechnet die queere Szene, viele Jahrzehnte Trendsetter, wenn es um Mode und Erscheinung ging, scheint (nicht nur) beim Bart eher Nachzügler denn Vorreiter.

Wohl auch, weil dieser fast ausschließlich die männliche, schwule Community betrifft. Und dort, eine These, der Bart immer ein Merkmal war und ist, die für sexuelle Attraktivität – oder eben auch nicht – steht: Für die Bären-Community fast ein Muss, für andere Communities ein No-Go.

 

Beitragsbild Barber schneidet Bart
Barber Shop – Bild: Adobe Stock

Die Komplexität von Bärten ist mittlerweile so groß, dass es immer mehr am Bart-Stil liegt, sich abzuheben. Zu dichten langen Vollbärten gesellen sich kunstvoll geschnittene Bärte, auch der Schnurrbart feiert ein Comeback, und andere tragen doch lieber den Drei-Tage-Bart.

Immer mehr Modeexperten müssen eingestehen, dass der Bart bleiben wird. Anders als das Kunstprodukt Metrosexueller, entwickelt sich Gesichtsbehaarung zu einem modischen Dauer-Accessoire, wie die verblasste Jeans „Ich glaube nicht, dass Bärte jemals wieder so verschwinden werden wie in den 90er Jahren.“, sagt Mattia. „Ein Bart trägt zum Gesamtbild eines Mannes bei und ist Teil seiner Eigenart. Kerle hängen aus diesem einfachen Grund an ihren Bärten.“ Und da Bärte in der Regel pro Monat um etwa einen Zentimeter wachsen, dürften Barbiere weiterhin goldene Zeiten haben.

Letztlich bleibt es jedem selbst überlassen, ob er sich mit oder ohne, und wenn ja mit welchem Bart gerne im Spiegel sieht. Und das ist auch gut so.

Bilder: Adobe Stock, Kiby BOX