Bart Varakas setzte sich bei vier anderen Kandidaten in Antwerpen durch, um sich den Titel „Mr. Leather Belgium 2018“ anzueignen. Jetzt, drei Monate schon im Amt, sprach er mit Tyrone Rontganger über sein „Second Coming Out“ und Erfüllung als Lederkerl, die Angst, und seine ersten Eindrücke als Titelträger.
BOX: Hi Bart, wir haben uns das erste Mal beim Classic Meets Fetish in Berlin persönlich kennengelernt. Wolltest du schon zu dem Zeitpunkt den Titel „Mr Leather Belgium“ haben?
BART: Hi Tyrone, als wir uns kennenlernten, war es mir schon im Kopf, dass ich vielleicht eines Tages bei der Wahl mitmachen würde, aber ich hatte mich noch nicht so richtig entschieden. Die Idee, an der Mister-Wahl hier teilzunehmen, fiel mir eigentlich so im Sommer letztes Jahr ein, als ich endlich anfing, mich in meiner Lederhaut und als Lederkerl wohl zu fühlen. Zu der Zeit ist mir Leder als Lebensstil immer wichtiger geworden und ich merkte, wie ich es mit anderen wichtigen Dingen in meinem Leben schön ausgleichen konnte, ohne sie auf der Strecke zu lassen: Ich bin Ingenieur, Teamleiter, Unternehmer in meiner Heimwerkstatt, Zimmermann … und ja auch Lederkerl und das musste schon alles gut zusammenpassen, damit ich den nächsten Schritt wagen konnte. Außerdem werden derartige Entscheidungen nicht über Nacht getroffen! Aber auch bei der Anmeldung glaubte ich nicht, dass ich den Titel gewinnen würde! Wenn mir jemand vor einem Jahr vorhergesagt hätte, dass ich Mr. Leather Belgium 2018 werden würde, hätte ich es einfach nie geglaubt! In der Tat hat es mir bereits 2016 ein Freund vorgeschlagen und ich bin damals vor Lachen fast umgefallen!
BOX: Aber es klappte doch!
BART: Ja, Gott sei Dank! Mein Partner hat da eine Menge dazu beigetragen, denn wir hatten uns in den Monaten zuvor gegenseitig sehr stark unterstützt und sind da beide innerlich gewachsen. Das hat mir auch geholfen, zu meinem Fetisch zu stehen – sozusagen mein „Second Coming-Out“ zu meistern. Das war für mich eine große Erleichterung und eine persönliche Befreiung! Erst dann habe ich mir endgültig gedacht, “ja, ich mache da bei der Mister-Wahl mit!“ Ich wollte andere Typen ermutigen, diese Evolution zu erleben und auch in und mit ihrem Fetisch zu wachsen.
BOX: Warum ist gerade dieses sogenannte „Second-Coming-Out“ – also, nicht nur das Schwulsein selber outen, sondern auch den Fetisch – für manche so schwer?
BART: Deiner Familie und Freunden zu gestehen, dass du auf Leder stehst, ist eigentlich genauso schwer wie die Aussage „Hey Mum, ich bin schwul!“, finde ich. Man hat Angst, eine neue Seite von sich zu zeigen, die von deiner Umgebung vielleicht abgelehnt wird. Aber dabei muss ich an diesen Spruch denken: “Die Angst ist ein schlechter Ratgeber!“ Da hat mir meine Tante mal etwas sehr Weises beigebracht, dass die Angst einer Mauer ähnelt, etwas, was dich nur zurückhält – da ist es doch besser, zu handeln. Deswegen trage ich heute Leder so oft wie möglich, auch wenn nicht immer ein komplettes Outfit. Wenn ich mit Freunden in Antwerpen ins Restaurant gehe, zum Beispiel, trage ich vielleicht nur ein paar Lederaccessoires.
BOX: Was ist denn dein Lieblingslederoutfit?
BART: Mein neues Lederhemd mit langen Ärmeln finde ich großartig! Ehrlich gesagt macht mich fast alles in Leder geil. Mich macht der ganze Look in Leder an, aber am geilsten finde ich ganz enges schwarzes Leder. Und ich liebe den Geruch und wie es sich anhört, wenn man sich auch nur ein wenig bewegt. Deswegen trage ich meine Lederuniform am liebsten! Ich habe mich seit meiner Jugend für Lederbiker interessiert und dabei verschiedene Phantasien gehabt. Als ich dann vor vier Jahren mein erstes Volllederoutfit kaufte, war das für mich dann wie ein wahrgewordener Traum.
BOX: Wie steht dein Partner zu deinem Titel?
BART: Mein Partner ist auch ein sehr guter Freund von mir, der mich in allen Situationen unterstützt. Das gilt auch für mein Titeljahr. Ohne ihn hätte ich mich wahrscheinlich nie für die Wahl angemeldet und ich hätte da nicht mitgemacht, wenn er etwas dagegen gehabt hätte. Nein, diese Entscheidung haben wir gemeinsam getroffen. Er ist selber Fetischist und versteht mich daher 100 %. Es macht ihn sehr glücklich, zu sehen, wie wir zusammen so viel schaffen können.
BOX: Und was sagt deine Familie dazu?
BART: Meine 80-jährige Patentante ist mein größter Fan! Ich habe nicht allen in meiner Familie von meinem Titelgewinn erzählt, denn ich finde, nicht jeder muss davon etwas wissen oder darüber quatschen! Trotzdem weiß ich, dass ich mich jederzeit auf ihre volle Unterstützung verlassen kann. Bei uns in der Familie wird Respekt sehr großgeschrieben. Sie wissen alle seit ein paar Jahren, dass ich auf Leder stehe und sie haben damit kein Problem. Sie erkennen, dass ich einfach dieselbe Person bin wie früher.
BOX: Mittlerweile hast du den Titel jetzt seit circa drei Monaten. Wie sind deine ersten Eindrücke?
BART: Also, ich empfinde es alles noch als sehr intensiv. Und da gibt’s immer wieder was Neues! Mich hatte man schon vorher gewarnt, dass ein Titeljahr sehr intensiv sein kann, aber letztendlich war das seine eigene Erfahrung. Ich glaube, man muss alles selbst erleben und die Sachen selber am eigenen Leibe erfahren, um zu wissen, wie eine bestimmte Sache wirklich ist. So ist es für mich als Titelträger! Aber ich bin mit dem Titel sehr zufrieden. Es ist schon schön als Titelträger, ein Vorbild für andere zu sein – ob man das will oder nicht – und es macht mich stolz und wirklich sehr glücklich, dass ich damit andere Männer inspirieren kann. Die Inspiration ist für viele eine große Hilfe in ihrer eigenen Entwicklung. Ich organisiere in Belgien “Leather Socials” und da kommen manchmal bis zu 100 Fetischkerle, die dort sie selbst sein können. Das finde ich einfach toll! Wenn ich die Schärpe trage, fühle ich mich nie allein.
BOX: Du fühlst dich mit der Schärpe nie allein? Ist das aber auch nicht manchmal problematisch?
BART: Damit meinte ich, dass ich von meinen Freunden sehr gut unterstützt werde. Sie hören mir zu, bieten mir Rat und glauben an mich und meine Projekte. Da habe ich das Gefühl, die Schärpe mit ihnen zu teilen und Verschiedenes mit ihnen gemeinsam zu erreichen. Sie sind immer für mich da und das hat mir als Mister-Leather-Kandidat unheimlich viel Kraft gegeben. Das macht mich sehr glücklich.
BOX: Vorhin hast du gesagt, dass die Titelträger Vorbilder für Andere sind, aber trotzdem gibt es eine Menge Typen in der Community, die meinen, die Titelträger seien heutzutage und in Europa völlig überflüssig …
BART: Jeder von uns hat das Recht auf eine eigene Meinung und nicht jeder in der Community muss die Titelträger lieben! Ich kann es auch verstehen, wenn manche meinen, die Titelträger bleiben immer nur unter sich, denn dadurch bekommt man natürlich den Eindruck, dass wir nur eine elitäre Gruppe sein wollen. Trotzdem sollen die Kritiker auch verstehen, dass wir öfters und immer wieder auf den internationalen Fetischevents zusammen unterwegs sind, was uns natürlich bindet. Da, glaube ich, könnten wir Titelträger schon etwas offener und inklusiver sein, aber wir sind auch nur Menschen wie alle Anderen. Das heißt, dass ich mich manchmal auch nicht besonders toll finde oder erlebe Zeiten, wo es mir vielleicht seelisch nicht gut geht, und natürlich will ich dann einfach unter Menschen sein, die mich auch kennen und verstehen. Anfangs hatte ich sogar Angst, meine Schärpe anzuziehen, weil ich keinen Keil zwischen mich und meine Umgebung treiben wollte. Seitdem habe ich gelernt, dass die Schärpe auch eine Art Schlüssel ist, der die Türe zu anderen Menschen öffnen soll.
BOX: Wie laufen die Vorbereitungen zum diesjährigen IML?
BART: Ich werde erst 2019 zum IML fliegen. Ich habe mich entschieden, die ganzen Aktivitäten und Herausforderungen in meinem Titeljahr hier so gut wie möglich zu bewältigen und auch zu genießen, bevor ich beim IML mitmache. Da ist mir der „Mr. Leather Belgium“-Titel nach erst drei Monaten noch etwas zu neu. Aber weil ich meine Teilnahme am IML auf nächstes Jahr verschiebe, habe ich mehr Zeit hier für meine Aufgaben und Pflichten. Ich will weiterhin meine „Leather Socials“ veranstalten, Geld für meine Wohltätigkeitsprojekte sammeln und die verschiedenen Fetisch-Communitys hier in Europa unterstützen. Da habe ich noch viel zu tun und schon so wenig Zeit dafür! Dann habe ich noch viel Zeit, Vieles zu lernen, das meine IML-Teilnahme hoffentlich etwas unterstreicht.
BOX: Wird einer unserer kontinentalen Titelträger den Titel zurück nach Europa holen, glaubst du?
BART: Oje, da bin ich die falsche Adresse für solche Fragen! Ich habe da leider keinen kompletten Überblick. Mir gefällt es aber, dass Europa dieses Jahr so gut vertreten wird. Von Jahr zu Jahr nehmen immer mehr europäische Titelträger daran teil!
BOX: Hast du eine Botschaft für die deutsche Leather Community?
BART: Viele Männer treffen sich nur privat und so ist es auch in der Lederszene. Dann beschweren sich alle, dass die Lederszene langsam ausstirbt und es nicht mehr so ist, wie sie einst war. Männer, kommt bitte zusammen! Keiner von uns ist allein, aber wenn wir uns ab und zu nicht live treffen, denken viele Neulinge, dass es uns gar nicht gibt!