Es war einmal der Mann mit Bart. Er trug Flanell, Jeans und suchte zwischen Ironie und Identität nach Echtheit. Der Bart war Symbol für
Natur und Haltung – und blieb. Nun, Alltag geworden, lebt er in vielen Variationen weiter. 2026 wird er uns vor allem als Beardstache begegnen.
Erst der Hipster – dann der Lumbersexual
Bevor der Lumbersexual die Laufstege und Straßen eroberte, kam der Hipster. Er war der urbane Pionier der neuen Männlichkeitsästhetik: Vintage-Brillen, enge Jeans, Barista-Attitüde. Der Hipster suchte Individualität im Konsum, Authentizität im Stil – und seine Bartstoppeln waren die ersten Anzeichen eines ästhetischen Wandels. Aus dieser Subkultur erwuchs der Lumbersexual wie ein älterer Bruder, der das Spiel mit der Ironie ernster nahm. Der Hipster wollte auffallen, der Lumbersexual wollte echt wirken.
In den USA und Europa verschmolzen beide Figuren zu einem urbanen Archetyp: ein Mann, der handwerkliche Codes trug, aber in digitalen Welten lebte. Der Bart wurde zur Brücke zwischen analogem Ideal und urbanem Lebensstil – ein Symbol für Individualität in einer standardisierten Welt.
Der Hipster kultivierte die Haltung des „Ich mache alles selbst“, der Lumbersexual kleidete sie in Flanell und Denim.
Doch Mode, die Authentizität spielt, steht stets auf wackeligem Grund. Gegen Ende des Jahrzehnts begann das Image zu kippen: Der Holzfäller, der nie einen Baum gefällt hat, wurde zur Karikatur. Medien titelten vom „Fall des Lumbersexual“, und der Hipster, einst Avantgarde, war plötzlich Mainstream. Das ironische Stilspiel erschöpfte sich in der eigenen Wiederholung. Der Bart blieb – doch er veränderte seine Sprache.

2020er: Der Bart wird erwachsen
Seit Beginn der 2020er-Jahre hat sich der Bart emanzipiert. Er ist kein Symbol mehr, das über Männlichkeit oder Naturverbundenheit sprechen muss. Er ist Teil einer breiteren Stilvielfalt geworden, so wandelbar wie die Generation, die ihn trägt. Statt grobem Flanell dominieren heute Stoffe mit Funktion: Denim, Cord, Canvas – robust, aber bewusst. Die „Workwear“, einst modischer Tribut an den Arbeiter, ist in der Gegenwart angekommen: praktisch, unaufdringlich, ehrlich.
In Europa prägen Marken wie Carhartt WIP, Nudie Jeans, A Kind of Guise oder Arket das neue Bild des maskulinen Understatements. In Großbritannien wird der ländliche Stil wiederentdeckt – Tweed, Wachsjacken, Cordhosen –, aber nicht als Kostüm, sondern als Haltung. In den USA verschmilzt Outdoor mit Alltagsästhetik: Gorpcore, der Stil der Funktionskleidung, hat sich in ein „Quiet Outdoor“ verwandelt – weniger Neon, mehr Naturtöne, mehr Substanz als Pose.

Alltag mit Bart
Und der Bart selbst? Er ist geblieben, aber gereift. Der Vollbart, Symbol einer älteren Modephase, ist seltener geworden, aber weiter überall zu sehen. Mehr sieht man kürzere, konturierte Formen: den Beardstache (eine Hybridform aus Schnurrbart und kurzem Bart), den Short Boxed Beard, die gepflegte Stoppel. Der Trend geht weg vom Überfluss hin zur Präzision. Der Bart ist kein Protest mehr, sondern Ausdruck von Selbstkontrolle. Die „Ungepflegtheit“ der 2010er-Jahre hat sich in ein neues Verständnis von Pflege verwandelt.
In Deutschland wie in Skandinavien dominiert ein Stil, der das Gesicht klar umrahmt: Bartöl, Trimmer, Konturenpflege – kein Exzess, sondern ein gepflegtes Statement. Pflegeprodukte sind diskreter geworden, aber hochwertiger: „Grooming“ hat die Pose abgelöst.
Zwischen Archetyp und Alltag
Was bleibt, ist die Sehnsucht nach Echtheit. Doch Echtheit ist heute kein romantischer Holzfäller-Mythos mehr, sondern eine Haltung der Konsistenz. Der Bartträger 2025 inszeniert keine Naturverbundenheit – er lebt sie in kleinen Gesten.
Selbst die Männermagazine, die einst alljährlich vom Ende des Bartes sinnierten und dann wieder den Holzfäller hochpriesen, sprechen heute von einer neuen Kontinuität der Schlichtheit. Der Bart, so heißt es, sei ein Zeichen der Balance geworden. Zwischen Tradition und Fortschritt, Natur und Stadt, Individualität und Zugehörigkeit.
Fazit: Der Bart bleibt, in immer neuen Variationen
Neuester Trend 2025/2026: der Schnurrbart, besonders in klassischen und vielseitigen Variationen wie dem Pencil-Moustache, dem Chevron-Bart oder dem gezwirbelten Handlebar-Moustache. Und als „Beardstache“, der einen Schnurrbart mit kurzem Stoppelbart kombiniert und einen gepflegten, aber dennoch unkomplizierten Look kreiert.
Der neue Bart ist weniger Statement als Selbstverständnis. Wer ihn trägt, muss nichts beweisen – nur zeigen, dass Pflege und Haltung keine Gegensätze sind.