I am in Miami

I AM IN MIAMI, BITCH!
Für Schwule aus der ganzen Welt gilt das hippe Viertel South Beach an Miamis Küste seit Jahrzehnten als place to be – an manchen Tagen lümmeln sich in den Schwulenclubs gar mehr Touristen als Einheimische. Wer sich davon selbst einmal überzeugen will, besucht Miami am besten im April, wenn die Szene der Stadt zum Miami-Pride-Festival einlädt.

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Pamela Asher zeigt auf die gegenüber liegende Straßenseite und fragt mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht: „Na, den Namen dieses Architekturstils muss ich wohl nicht verraten, hmm?“. Nein, das muss die rüstige Führerin der Miami Design Preservation League nicht. Vielmehr geht ein Schmunzeln durch die Gruppe von Schwulen, die sich heute Nachmittag von Pamela durch das Art-Deco-Viertel auf dem Ocean Drive führen lässt. Man merkt Pamela an, dass sie nun ganz in ihrem Element ist. Von der 6th bis zur 23rd Straße finden sich Hunderte von Art-Deco-Gebäuden, die überwiegend in den 30er-Jahren gebaut wurden, erzählt sie. Zu fast jedem Gebäude hat sie eine Anekdote in petto, in kaum einer kommt nicht irgendein Prominenter vor. Auch an der Villa „Casa Casuarina“ des 1997 ermordeten Designers Gianni Versace kommen wir vorbei, aus ihr ist mittlerweile ein Luxushotel geworden. Spätestens nach 30 Minuten mit Pamela wird jedem unbedarften Touristen klar: Miami, Prominente, Glanz und Glamour – das gehört zusammen wie die Sonne zum Sunshine-State Florida.

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An diesem Wochenende treffen wir besonders viele Schwule und Lesben auf den Straßen in South Beach. Das hat einen guten Grund: Miami feiert mit großem Tamtam sein Gay-Pride-Festival. Erst spät, 2009 war es, kamen sie in der Millionenstadt auf die Idee, ein eigenes CSD-Festival zu stemmen. Zwei der Organisatoren des Festivals, Steve Adkins und George Neary, treffen wir im Hotel „Gaythering“. „Das Pride-Festival hilft uns enorm, Miami als attraktives Urlaubs- und Eventreiseziel für Lesben und Schwule zu positionieren“, sagt Steve Adkins. Man rechne mit mehreren Tausend Besuchern an diesem Wochenende, erläutert er. Auch George Neary, der seit 1998 für den Kultur-Tourismus beim Miami Convention und Visitors Bureau zuständig ist, attestiert: „Miami zeigt der Welt, wie offen und tolerant die Stadt ist.“ Und einen Grund dafür, warum Miami erst 2009 den ersten CSD feierte, liefert er gleich mit: „Wir haben damals nicht unbedingt die Notwendigkeit dazu gesehen, schließlich hatten und haben wir im Jahr bereits sieben Events, die sich vor allem an Lesben und Schwule richten. Aber einige Leute in der Szene fanden es eine prima Idee, dass wir auch ein Gay-Pride-Festival ausrichten. Gesagt, getan.“

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Dass South Beach auch in den Augen der Hotellerie ein attraktives Reiseziel für Lesben und Schwule ist, zeigt sich unter anderem an dem Ort unseres Treffens: dem Gaythering-Hotel. Das im Februar 2014 eröffnete Hotel hat – der Name signalisiert es – sich vor allem Lesben und Schwulen als Gäste verschrieben und bezeichnet sich selbst mit einem Augenzwinkern als „einziges hetero-freundliches Hotel in Miami“. Das Hotel befindet sich in der Alton Road, Ecke Collins/DadeCanal, rund 10 Minuten zu Fuß von der berühmten Shoppingmeile Lincoln Road entfernt. In den 25 Zimmern dominieren Grau-, Schwarz- und Rottöne, man kommt sich als Gast vor wie in einer Kunstgalerie. Stephan Ginez, der Inhaber des Hotels, freut sich über die Resonanz, die das Hotel in den ersten Monaten weit über die Szene hinaus erfahren hat: „Wir sind wirklich überrascht, wie viele Heteros auch bei uns buchen.“ Für Schwule, die sich hier während ihres Urlaubs einquartieren, hält das Hotel einige Annehmlichkeiten bereit: Die Preise sind für Miami-Verhältnisse moderat (rund 95 Euro fürs Doppelzimmer pro Nacht), W-Lan ist gratis, eine Dampfsauna und einen Jacuzzi gibt es, ebenso wie eine Bar, in der abends auch viele Einheimische vorbeischauen. Besonders populär ist der Freitagabend, wenn sich die Bärenszene in der Bar zum Meet&Greet trifft. Bei den Urlaubsgästen jedenfalls kommt das Hotel sensationell gut an: Auf TripAdvisor rangiert es bereits auf Platz 8 aller 201 aufgeführten Hotels in Miami. Einziges Manko für Schwule, die tagsüber am Gay-Beach in der Sonne fläzen und nachts im populären Twist-Club feiern wollen: Zu Fuß ist man jeweils rund 30 Minuten vom Hotel zu den Gay Hot Spots unterwegs.

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Es ist elf Uhr am Vormittag, und der Ocean Drive in South Beach beginnt sich langsam mit Menschen zu füllen. Heiß es mittlerweile, rund 30 Grad; auch im April kennt die Sonne in Miami keine Gnade. Fünf ältere Schwule, aus Fort Lauderdale kommen sie, haben sich Klappstühle und einen Tisch mitgebracht. An die Dekoration haben sie auch gedacht, ein paar Luftschlangen und Luftballons in Regenbogenfarben zieren ihre Stühle. Nebenan sitzt ein Lesbenpaar, Mitte 50 etwa sind sie alt, mit ihren beiden Kindern auf dem Bordstein und fächeln sich Luft zu. In rund einer Stunde soll die Parade beginnen, da gilt es, sich die besten Plätze zu sichern, verraten sie.

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Wenn man den Blick über den Rest des Publikums schweifen lässt, dann wird schnell klar: Die Parade ist vor allem ein Happening für politisch Interessierte – entgegen eines weit verbreiteten Images vom ewig feiernden Partyluder Miami geht es hier ziemlich gesittet zu. Alkohol trinkt kaum einer, das wird – so wie in fast allen US-Bundesstaaten – in der Öffentlichkeit von der Polizei gar nicht gern gesehen.
Neugierig geworden? In der nächsten Ausgabe der BOX erfährst du, was es auf der CSD-Parade und auf dem –Festival zu erleben gibt, welcher Nachtclub sich ganz besonders für einen Besuch empfiehlt und was man sonst noch unbedingt in Miami unternehmen sollte! (fs)